Europawahl: EU-Spagat der deutschen Schwarzen

Europawahl, CDU, CSU
Europawahl, CDU, CSU(c) APA/EPA/MICHAEL REICHEL (MICHAEL REICHEL)
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Die bayrische CSU setzt auf harsche Töne gegen die EU-Bürokratie und gegen den Euro. Die CDU hat sich einen europafreundlichen Kurs verordnet. Selten war der Spalt so groß.

Berlin. Das bayrische Bierzelt tobt. Der Mann mit dem roten Kopf und den weißen Haaren hat sich schon nach wenigen Minuten heißgeredet. In Brüssel werde viel zu wenig Deutsch geredet. Alles auf Englisch, ein „Sprachschleier“ lege sich über Europa: „Da wird uns ein Riesenschmarren erzählt.“ Überhaupt täusche dort einer den anderen, wie im Märchen: In Brüssel, da „sitzen die nackten dummen Kaiser zusammen“. Applaus, Applaus.
Der, der so etwas am Politischen Aschermittwoch in Passau sagte, gehört nicht etwa zur Anti-Euro-Partei Alternative für Deutschland. Es ist ein CSU-Veteran. Chef Seehofer hat ihn jüngst zum Parteivize geadelt, auf dass er de facto die erste Geige im EU-Wahlkampf spiele. Peter Gauweiler hält den Euro für eine „Esperantowährung“, hat tapfer in Karlsruhe gegen die Rettungsschirme geklagt und wettert lustvoll gegen das „Zentralkomitee“ in Brüssel.

Der offizielle Spitzenkandidat für die Europawahl, Markus Ferber, ein moderater und tüchtiger Abgeordneter in Straßburg, bleibt im Hintergrund. Der 64-jährige Gauweiler soll als Zugpferd die EU-kritischen Bürger in Bayern mit seinem Poltern davon abhalten, die AfD zu wählen. Die einzige Abgrenzung zu den Euro-Rebellen: Die Gemeinschaftswährung, meint der erfolgreiche Anwalt, werde man nun nicht mehr los. „Wir können die Zeit nicht zurückdrehen.“ Aber für einen historischen Fehler hält sie auch er.

Im übrigen Deutschland sieht man dieses Treiben mit wachsender Besorgnis. Denn die große Schwesterpartei CDU geht ganz anders an die Europawahl am 25. Mai heran. Kanzlerin Merkel hat die Marschrichtung vorgegeben: ein dezidiert europafreundlicher Kurs. Das Friedensprojekt und die wirtschaftlichen Vorteile der Gemeinschaft sollen im Mittelpunkt stehen. Die üblichen Sonntagsreden also, die angeblich niemand mehr hören will. Die Konfrontation mit den Euroskeptikern gilt es zu vermeiden, sie werden einfach ignoriert.

Auch Forderungen, wo sich Brüssel ändern soll, hat die CDU im Wahlprogramm positiv verpackt: weniger Bürokratie für den Mittelstand, mehr Bürgernähe durch vereinfachte Gesetzgebung, eine Energiewende nach deutschem Vorbild. Für die EU-Partner soll weiter das Credo aus der Eurokrise gelten: am Sparkurs festhalten, mehr Wettbewerbsfähigkeit, keine Vergemeinschaftung der Schulden. Kurz: Business as usual und freundliche Töne, auch beim Europaparteitag am kommenden Wochenende.

McAllister contra Gauweiler

Als Sprachrohr der deutschen Doktrin schicken die Christdemokraten ein politisches Schwergewicht ins Rennen: David McAllister, bis vor gut einem Jahr Ministerpräsident von Niedersachsen und heißer Kandidat für eine spätere Merkel-Nachfolge. Seine denkbar knappe Niederlage bei der Landtagswahl – es ging um einige hundert Stimmen – setzte den hochfliegenden Karriereplänen ein jähes Ende. In die Schlangengrube der Berliner Politik wollte der begeisterte Niedersachse mit dem britischen Pass nicht springen. Also orientierte sich der erst 43-Jährige nach Straßburg um, obwohl ihm die Materie EU bisher ganz fremd war. „Jetzt freue ich mich auf Europa“, beteuert tapfer der Spitzenkandidat, den der Parteivorstand Ende Jänner gekürt hat.

Freilich: Wie der glatte Sonnyboy aus dem Norden und der streitbare Grantler aus dem Süden eine gemeinsame Botschaft der Unionsparteien vermitteln sollen, darauf weiß noch kein schwarzer Stratege eine plausible Antwort. Der Spagat aus pro und contra Brüssel wird einiges an ideologischer Gelenkigkeit erfordern. Nur Gauweiler selbst sieht sich Seit an Seit mit McAllister. „Ich glaube, wir werden uns gut verstehen“, versicherte er dem „Spiegel“. „Sein Vater war ja Schotte, die sind in ihrem Freiheitsdrang mit uns Bayern mental verwandt.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.04.2014)

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