Letzte Chance für griechische Sozialisten

Evangelos Venizelos
Evangelos Venizelos APA/EPA/JULIEN WARNAND
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Vorsitzender Evangelos Venizelos versucht den Namen Pasok hinter dem Wahlbündnis „Olive“ zu verstecken. Ob das die Partei rettet, wird sich bei den Wahlen zeigen.

Athen. Als Vorsitzender der Panhellenischen Sozialistischen Bewegung (Pasok) wäre Evangelos Venizelos noch im Jahr 2009 zu beneiden gewesen. Damals gewann die Partei bei den Parlamentswahlen 43,9 Prozent der Stimmen. Heute aber ist Venizelos eine Art politischer Prügelknabe; man sieht ihn als Kapitän eines sinkenden Schiffes. Einen Monat vor den Lokal- und Europawahlen hat die Partei sich entschlossen, ihren Namen hinter dem Wahlbündnis „Olive“ zu verstecken, die Umfragewerte liegen zwischen fünf und sechs Prozent, also knapp einem Siebentel der Stimmen von 2009.

Die Sozialisten brachen unter der Last der Schuldenkrise zusammen. Etwa zwei Jahre lang – von 2009 bis 2011 – musste die Partei die sich zunehmend verschlechternde Situation allein stemmen. Der damalige Pasok-Chef, Giorgos Papandreou, musste im Schicksalsjahr 2010 den Bankrott seines Landes eingestehen und die internationalen Gläubiger ins Land holen. Die Pasok beschloss die ersten brutalen Gehalts- und Pensionskürzungen im öffentlichen Dienst im Alleingang und vergraulte damit die Kernwählerschaft, die „ihrer“ Partei bis heute nicht verziehen hat. Viele gingen über zur „radikalen Linken“, Syriza, unter dem jungen, dynamischen Chef Alexis Tsipras, der hemmungslos gegen das politische Establishment, die Sparpolitik und die europäischen Sparmeister wettert. Die große Frage ist: Wird das radikale Linksbündnis sich dauerhaft als Massenpartei, als „zweite Pasok“ etablieren – oder wird es dem Linken Zentrum gelingen, sich neu zu formieren?

Venizelos will „Land retten“

Dazu hat die Pasok wohl keine Zeit. Venizelos hat einen „nationalen Auftrag“ übernommen, wie er selbst sagt: Er will als Juniorpartner der konservativen Nea Dimokratia (ND) unter Ministerpräsident Antonis Samaras das „Land retten“. Der wuchtige Verfassungsrechtler hat nicht ganz unrecht: Ohne die Pasok gäbe es keine Regierungsmehrheit, die mit 152 Stimmen im 300 Köpfe zählenden Parlament ohnehin mehr als fragil ist. Der endgültige Zusammenbruch der Pasok würde also sofortige Neuwahlen erzwingen. Mit der Syriza an der Regierung stünden wiederum politische Turbulenzen bevor, die im Austritt aus dem Euro münden könnten.

Venizelos hat innerhalb der Pasok vor allem mit einem Gegner zu kämpfen, und der trägt den berühmten Namen Papandreou: Giorgos war Ministerpräsident der Periode 2009–2011 und ist gleichzeitig der Sohn des Parteigründers Andreas Papandreou. 2007 war Venizelos parteiintern vergeblich gegen Giorgos angetreten. Als Papandreous Regierung zusammenbrach, musste er seinen Kontrahenten schließlich doch zum Nachfolger küren.

Zum Unmut der Basis: Beim letzten Parteitag der Sozialisten im März 2013 gab es nur einmal stehende Ovationen – als Giorgos Papandreou unter den Hurrarufen seiner Anhänger im Stadion einmarschierte. Bei den letzten Abstimmungen im Parlament hat Papandreou gegen die Parteilinie gestimmt. Auch am Wahlbündnis der „Olive“ sind keine Anhänger von Papandreou beteiligt. Venizelos hat im Gegenzug die aktuellen Europaabgeordneten der Pasok, die von Papandreou ausgewählt wurden, aufs politische Abstellgleis befördert. Nur eine der Abgeordneten findet sich auch auf der neuen Kandidatenliste für die Europawahlen am 25. Mai.

Nicht neu und unverbraucht

Die Hahnenkämpfe der alten Riege gehen aber am Kern des Problems vorbei: Nur ein neuer, unverbrauchter Parteiführer könnte die Wähler noch ansprechen. Venizelos allerdings sorgte im Gegenteil dafür, dass in der „Olive“ keine gewichtigen, unabhängigen Kandidaten vertreten sind. Und so kommt der „Fluss“, die neu gegründete Partei des Journalisten Stavros Theodorakis, der aus dem Umfeld der Pasok stammt, in den letzten Meinungsumfragen auf knapp zehn Prozent in der Wählergunst. Sein einziger Vorteil: Er ist ein politisch unbeschriebenes Blatt.

Evangelos Venizelos jedoch spielt auf Zeit. Er hofft, dass die Wählergunst mit Überwindung der Schuldenkrise wieder umschlagen wird. Syriza hat nach wie vor Schwierigkeiten, die breite Mitte von sich zu überzeugen, auch bei den Gewerkschaften ist die linksoppositionelle Partei nach wie vor schwach vertreten. Ob das Pendel aber tatsächlich wieder zur Pasok zurückschwingen kann, das wird sich bei diesen schicksalhaften Wahlen zeigen.

AUF EINEN BLICK

Griechenlands Sozialisten dümpeln in Umfragen für die im Mai anstehenden Wahlen zwischen fünf und sechs Prozent – knapp einem Siebentel der Stimmen von 2009. Parteichef Evangelos Venizelos versucht den Namen Pasok nun hinter dem Wahlbündnis „Olive“ zu verstecken. Doch interne Grabenkämpfe erschweren die Situation für die angeschlagene Partei zusehends.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.04.2014)

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