EU-weite Maut wegen Deutschland

GERMANY, Oettinger, Maut
GERMANY, Oettinger, Maut(c) APA/EPA/CHRISTOPH SCHMIDT (CHRISTOPH SCHMIDT)
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In Berlin und Brüssel wird nach Alternativen für die umstrittene Maut für Ausländer gesucht – von einem „Schlaglochfonds“ bis zu einer europäischen Einheitsmaut.

Berlin/Wien. Mut kann man Torsten Albig nicht absprechen. Der SPD-Ministerpräsident von Schleswig-Holstein hat sich am Osterwochenende mit einem Vorschlag vorgewagt, der unpopulärer nicht sein könnte: Jeder deutsche Steuerzahler soll zusätzlich 100Euro pro Jahr für die Instandhaltung des reichlich maroden deutschen Straßennetzes zahlen. Ein solcher „Schlaglochfonds“ wäre im Prinzip nichts anderes als eine Pkw-Maut für alle, nur unter einem anderen Namen.

Selten hat eine Idee so einhellige Ablehnung gefunden wie diese. Politiker aus allen Lagern prügelten postwendend auf den Kollegen aus dem hohen Norden ein. Besonders heftig reagierten die sozialdemokratischen Parteifreunde: „Völlig inakzeptabel“ seien weitere Belastungen für jedermann, erwiderte Haushaltspolitiker Joachim Poß. Eine Totgeburt also, kein großes Thema?

Von wegen. Das verrät die einzige Schützenhilfe, die Albig bis Dienstag erhalten hat. Ihm „gebührt Ehre“, findet Winfried Hermann, und es sei „nicht klug, dass alle ihn abschlachten, weil er einen Vorschlag gemacht hat“. Der grüne Verkehrsminister von Baden-Württemberg spricht aus, was viele Regierungspolitiker sich denken, ohne es laut zu sagen: dass die Verkehrsminister der Länder ja längst einen Stufenplan erarbeitet haben, an dessen Ende eine allgemeine Pkw-Maut stehe. Dass ein „Riesendefizit“ von 7,5Mrd. Euro an Sanierungskosten anders wohl nicht abgedeckt werden könne. Und dass eine Pkw-Maut nur für Ausländer „viel Ärger und wenig Geld bringt“.

Tatsächlich geht beim Lieblingsprojekt der CSU, das sie im Wahlkampf getrommelt und gegen alle Widerstände in den Koalitionspakt hineinreklamiert hat, nichts weiter. Auch unter den Bayern wächst die Einsicht, dass die Bedingungen ihrer Koalitionspartner CDU und SPD nicht beide zugleich erfüllbar sind: Die De-facto-Diskriminierung von ausländischen Autofahrern müsste mit EU-Recht vereinbar sein, und kein einziger deutscher Fahrzeuglenker dürfte zusätzlich zur Kassa gebeten werden. Bei allen raffinierten Konzepten, bei denen erst alle Autofahrer eine Vignette kaufen müssen und dann nur die Inländer die Kosten refundiert bekommen (etwa über eine niedrigere Kfz-Steuer), zahlt ein Teil von ihnen dann doch mehr als heute.

Die Erträge aus der geplanten Ausländermaut sind aber im Budget eingeplant. Der Rückstau bei den Investitionen wird immer größer, der Zustand der Straßen schlechter. Auch die geplante Erweiterung der Lkw-Maut auf kleinere Fahrzeuge und mehr Straßen, die auf weniger Widerstand stößt, kann die (Schlag-)Löcher nicht stopfen. Die Rettung aus der Misere könnte von einem Deutschen in Brüssel kommen. Auch diese Hoffnung spricht der offenherzige Hermann an: Er begrüßt den Vorschlag von EU-Energiekommissar Günther Oettinger, eine einheitliche europäische Maut einzuführen.

Der CDU-Politiker hatte Ende vergangener Woche vorgeschlagen, anstelle der umstrittenen deutschen Pkw-Maut eine „einheitliche Straßenbenützungsabgabe für den europäischen Binnenmarkt“ einzuführen. Der Ertrag daraus sollte nicht in das EU-Budget fließen, sondern den einzelnen Mitgliedstaaten zugutekommen. Er wies gleichzeitig darauf hin, dass es in der EU-Kommission noch immer erhebliche Zweifel daran gebe, dass eine Maut nur für Ausländer mit EU-Recht vereinbar wäre. Jedenfalls werde die Kommission prüfen, „ob mit der Regelung eine Diskriminierung verbunden ist“, so Oettinger.

Bures lehnt einheitliche EU-Maut ab

Österreichs Verkehrsministerin Doris Bures will ihrem deutschen Amtskollegen Alexander Dobrindt keine solche goldene Brücke schlagen. Sie stehe Oettingers Plänen für ein einheitliches Mautsystem kritisch gegenüber, hieß es auf Anfrage der „Presse“. „Die Kompetenz der Mauteinhebung sollte bei den einzelnen EU-Staaten liegen und somit der nationalen Gesetzgebung unterworfen sein. Jeder Staat muss die Möglichkeit haben, selbst zu entscheiden, in welcher Form und Höhe eine Pkw-Maut eingehoben wird und wie die Mittel eingesetzt werden“, sagt Bures. Das österreichische System von Pkw-Vignette und kilometerabhängiger Lkw-Maut habe sich sehr bewährt.

Dobrindt hat erst kürzlich angekündigt, er wolle allen Einwänden von EU-Rechtsexperten und der EU-Kommission zum Trotz ab 1.Jänner 2016 eine Maut für alle ausländischen Autofahrer in Deutschland einführen. Im kommenden Jahr sollen alle technischen Vorkehrungen dafür getroffen werden. Die Details der Regelung ließ er erneut offen. Dobrindt versprach, er werde im Juli einen Gesetzesvorschlag vorlegen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.04.2014)

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