Reformstau bedroht kroatischen EU-Beitritt 2011

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Von Justiz bis Fischerei: EU-Parlament, EU-Vorsitz und Kommission mahnen die nächste kroatische Regierung zur Eile.

BRÜSSEL. Kroatien soll die Verhandlungen 2009 beenden und 2011 der EU beitreten. Das ist zumindest der Plan der EU-Regierungen und des Landes selbst. Die Termine zu halten, werde aber immer unrealistischer, glaubt der Berichterstatter über die kroatischen Fortschritte im EU-Parlament, der Vizechef der sozialdemokratischen Fraktion Hannes Swoboda (SPÖ). Auf „25 bis 30 Prozent“ schätzt er im „Presse“-Gespräch die Wahrscheinlichkeit, dass es Kroatien noch bis dahin schaffen könnte. Denn die kroatische Regierung lasse vor allem in drei Bereichen Reformen vermissen, so bestätigt er Einschätzungen der EU-Kommission:
Justiz: Hier gebe es zum Beispiel oft noch ein zu nahes Verhältnis zwischen Richtern und Klägern oder Beklagten. Die Ausbildung und die Ernennung von Richtern müssten rasch an die EU-Standards herangeführt werden.
Industrie: Vor allem die Schiffbauindustrie müsse endlich für den europäischen Wettbewerb geöffnet werden. Derzeit werden kroatische Unternehmen noch durch kräftige Subventionen privilegiert.
Fischerei: Kroatien will seine Schutzzone für Umwelt und Fischerei in der Adria einseitig ausdehnen, stößt damit aber bei den Anrainerstaaten Italien und Slowenien auf heftigen Widerstand: Die Seegrenze ist strittig. Kroatien sei „engstirnig“ und solle sich nach EU-Regeln mit den Nachbarn einigen, meint Swoboda.

Auch der neue slowenische EU-Vorsitz äußerte sich diese Woche erstmals sehr kritisch: Sollte Kroatien an seinen Plänen für die Fischereizone festhalten, wäre dies „ein größeres Problem“ bei den Beitrittsverhandlungen, sagte Sloweniens Außenminister Dimitrij Rupel laut Austria Presseagentur. Seine Hoffnungen würden aber auf der nächsten kroatischen Regierung liegen, die Ende dieser Woche gebildet werden soll.

Für Swoboda war der bisherige konservative Regierungschef Ivo Sanader „durchaus gewillt, aber nicht immer in der Lage“, Reformen für einen EU-Beitritt auch im eigenen Lager durchzusetzen. Durch die bei der Wahl im November gestärkte Opposition werde dies umso schwieriger, glaubt der Parlamentarier.

Die EU-Kommission hatte im vergangenen November auf den Nachholbedarf Kroatiens hingewiesen. Von einer Blockade des Beitrittsprozesses zum Beispiel durch Slowenien wegen der Fischereizone will man in der Verwaltungsbehörde derzeit nicht offen sprechen. Experten halten dies aber für möglich. Noch vor dem Sommer wird die Kommission ihren nächsten „Fortschrittsbericht“ vorlegen. Zuvor wird Swoboda seinen Bericht über die kroatischen Reformen im Europaparlament präsentieren.

1,5 Jahre für Ratifizierung

Damit Kroatien planmäßig 2011 der EU beitreten kann, müssten die Verhandlungen spätestens im Jänner 2009 abgeschlossen werden. Danach braucht es Experten zufolge zwei bis drei Monate, um den Vertrag im Detail zu formulieren, ihm muss das EU-Parlament zustimmen. Weil das Parlament aber bereits im Juni 2009 neu gewählt werden wird, müsste ihm der Text spätestens im April vorliegen. Darauf würde der Ratifizierungsprozess von rund eineinhalb Jahren in den Mitgliedstaaten folgen. Würde man allerdings das neue EU-Parlament und die nächste EU-Kommission (ab Herbst 2009) abwarten, wäre der kroatische EU-Beitritt also auf die lange Bank geschoben.

Swoboda warnt: „Wir müssen 2008 für positive Ergebnisse nützen, und es wird immer knapper.“ Den „Fehler“ mit den 2007 beigetretenen EU-Ländern Rumänien und Bulgarien solle man jedenfalls nicht wiederholen: Diese habe man aufgenommen, obwohl mehrere dringende Reformen noch nicht abgeschlossen waren – mit der Aufforderung zu „nachträglichen Korrekturen“ nach ihrem EU-Beitritt. Doch diese seien großteils noch immer nicht erfolgt. „Jetzt fehlt der Druck.“

Österreichische Wirtschaft hofft

Würde die EU Kroatien noch weitere Jahre warten lassen, wäre dies nicht im Interesse der österreichischen Wirtschaft: Wirtschaftskammer und Industriellenvereinigung haben bereits mehrfach betont, dass die heimischen Unternehmen von einer noch engeren Zusammenarbeit auf EU-Ebene profitieren würden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.01.2008)

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