Neue Mitglieder: Bulgarien drohen schlechte Noten aus Brüssel

Der Konflikt um das AKW Kosloduj hält an.
Der Konflikt um das AKW Kosloduj hält an.(c) AP (Petar Petrov)
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Fortschrittsbericht der Kommission dürfte kritisch ausfallen – Konflikt um AKW Kosloduj hält an.

SOFIA. Der Veröffentlichungstermin des anstehenden Fortschrittsberichts der Europäischen Kommission zu den EU-Neulingen Bulgarien und Rumänien steht noch nicht fest, doch die für Ende Jänner erwartete Evaluation wirft ihre Schatten voraus. Medienberichten zufolge droht Brüssel Rumänien Sanktionen an, sollten sich die Ermittlungen wegen Korruptionsvorwürfen gegen acht frühere und amtierende Minister weiter verzögern. Auch für Bulgarien wird ein kritisches Urteil der EU erwartet. Seit Erscheinen des vorigen Berichtes im Juni 2007 fehlte es in dem Balkanland zwar nicht an spektakulären Skandalen mit prominenter Beteiligung, aber an nennenswerten Erfolgen im Kampf gegen Korruption und Organisierte Kriminalität.

Korruption und Kriminalität

Im August wurde der mit Spannung erwartete Korruptionsprozess gegen den früheren Chef des hauptstädtischen Wärmeversorgungsunternehmen Toplofikazia Sofia, Valentin Dimitrov, vertagt, weil das Gericht die Anklageschrift als fehlerhaft erachtete. Und im Dezember wurde die Verhandlung gegen die als führende Köpfe der bulgarischen Mafia geltenden Brüder Krassimir und Nikolai Marinov ausgesetzt, weil sich ein Mitangeklagter als verhandlungsunfähig erwies. Die sogenannten Gebrüder Margini, denen unter anderem dreifacher Mordversuch vorgeworfen wird, befinden sich seitdem auf freiem Fuß.

Mit einem Paukenschlag begann das Jahr 2008. Nachdem der für die Verbrechensbekämpfung im Land zuständige Hauptstaatssekretär im Innenministerium, Ilia Iliev, im November ohne nachvollziehbare Begründung zurückgetreten war, stellte sich Anfang Jänner heraus, dass er die Erteilung eines bulgarischen Passes an den serbischen mutmaßlichen Drogenschmuggler Budimir Kujovitsch verantwortet hatte. Damit habe er die operative Beobachtung von dessen Drogenkanal gewährleisten wollen, über den vier Tonnen Heroin zu erwarten gewesen seien, rechtfertigte sich Iliev.

Sein Nachfolger im Amt, der neue Hauptstaatssekretär Valentin Pretrov, ließ Ilievs Rechtfertigung nicht gelten und entließ sechs mit dem Fall Kujovitsch befasste Polizeibeamte. Daraufhin gab einer von ihnen, Todor Dimov, der Presse zu Protokoll, Petrov habe ein „auffälliges persönliches Interesse“ an Kujovic gezeigt. Damit unterstellte Dimov dem Hauptstaatssekretär Verwicklungen in die Drogenszene. Nach dem Willen der Opposition soll nun ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss Klarheit in die undurchsichtige Affäre bringen.

Angesichts solcher Vorkommnisse ist eine äußerst kritische Evaluation Bulgariens durch die EU-Kommission zu erwarten. Es muss deshalb überraschen, welch ungetrübtes Selbstbewusstsein die bulgarische Staatsführung gegenüber Brüssel in einer anderen leidigen Angelegenheit an den Tag legt. Für Staatspräsident Georgi Parvanov und Ministerpräsident Sergej Stanischev scheint es gegenwärtig keine dringlichere „nationale Causa“ zu geben als die Wiederinbetriebnahme der Reaktorblöcke 3 und 4 des AKW Kosloduj, die zum Jahresbeginn 2007 gemäß dem EU-Beitrittsvertrag vom Netz genommen wurden. Parvanov und Stanischev führen persönlich die Kosloduj-Kampagne an.

Immer lauter werden die Stimmen, die die Wiederinbetriebnahme notfalls ohne Brüsseler Zustimmung fordern. Der Vorsitzende des Bulgarischen Atomforums, Bogomil Mantschev. lehnt es ab, die Kommission um Erlaubnis dafür zu bitten: „Wir werden sie einfach von unserer Entscheidung, dies zu tun, in Kenntnis setzen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.01.2008)

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