Schulz: "Anschlag auf europäische Demokratie"

Nie um scharfe Worte verlegen: EU-Parlamentspräsident Martin Schulz
Nie um scharfe Worte verlegen: EU-Parlamentspräsident Martin SchulzREUTERS
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Der Streit um den nächsten Kommissionspräsidenten spitzt sich zu: Angela Merkel beharrt auf dem Vorschlagsrecht der Staaten. Parlamentspräsident Martin Schulz weist das mit markigen Worten zurück.

Gewählt wird am 25. Mai zwar das EU-Parlament, aber gestritten wird derzeit um den künftigen Kommissionspräsidenten - beziehungsweise um das Recht, wer ihn vorschlagen darf: Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel beharrte am Freitag darauf, nicht automatisch den Spitzenkandidaten der siegreichen Partei zu nominieren. Der europaweite sozialdemokratische Spitzenkandidat Martin Schulz warnte vor einem „Anschlag auf die europäische Demokratie", sollten die Staats- und Regierungschefs das Wahlergebnis ignorieren.

„Nach dem Lissabon-Vertrag ist es so, dass das Parlament auf Vorschlag des Rats der Staats- und Regierungschefs den Kommissionspräsidenten wählt und dass dabei der Rat den Ausgang der Wahl berücksichtigt“, sagte Merkel der „Rheinischen Post". Die Spitzenkandidaten der Parteienfamilien in Europa würden in diesem Zusammenhang aber „natürlich eine Rolle spielen".
Bisher wurde das Amt von den EU-Staats- und Regierungschefs im Alleingang besetzt.

Merkel & Co können Wahlergebnis ignorieren

Nach den - heuer zum ersten Mal angewndeten - Regeln des EU-Vertrags von Lissabon abgehalten. Dieser legt fest, dass die Staats- und Regierunfgschefs dem EU-Parlament einen Kommissionschef zur Wahl vorschlagen. Dabei sollen sie den Ausgang der Europawahl berücksichtigen. Aufgrund dieser Klausel - aber auch um den Wahlkampf angesichts stetig sinkender Wahlbeteiligung bei den vorherigen Europawahlen lebhafter und interessanter zu machen - stellen die großen europäischen Parteienfamilien erstmals europaweite Spitzenkandidaten auf. Die pochen nun darauf, dass der Nachfolger von EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso aus ihrem Kreis kommt. Die beiden aussichtsreichsten Anwärter sind der Sozialdemokrat Schulz und der auch von Merkel unterstützte Kandidat der konservativen EVP, Jean-Claude Juncker.

Es wird jedoch seit Monaten darüber spekuliert, dass Merkel und ihre Kollegen nach der Wahl einen eigenen Kandidaten für die Führung der mächtigen Behörde vorschlagen könnten. In dem Interview mit der „Rheinischen Post“ schloss die Kanzlerin dies nicht aus: „Wir haben eine klare vertragliche Grundlage, mit der der Europäische Rat dem Europäischen Parlament seinen Vorschlag für den nächsten Kommissionspräsidenten machen wird.“

"Größte Volksverdummung der Geschichte"

SPD-Chef und Vizekanzler Sigmar Gabriel hat Merkel bereits eindringlich gewarnt, es wäre „die größte Volksverdummungsaktion in der Geschichte der Europäischen Union“, sollte der Rat nicht einen der Spitzenkandidaten für die Kommissionsspitze vorschlagen.

Donnerstagabend im ersten TV-Wahlduell mit Juncker, das von ORF und ZDF produziert und ausgestrahlt wurde.
„Im Vertrag steht, dass dem Ergebnis der Europawahl Rechnung zu tragen ist“, betonte auch der frühere luxemburgische Regierungschef Juncker. Wenn die Staats- und Regierungschefs dem nicht folgten, lösten sie eine „europäische Demokratiekrise“ aus und riskierten, dass bei der nächsten Europawahl „noch weniger Menschen zur Wahl gehen".

(APA/AFP)

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