Ohne Eingreifen der EU wären bestimmte, für die Insekten schädliche Neonicotinoide in Österreich womöglich heute erlaubt. Die Kommission setzte ein zweijähriges Verbot durch.
Wien. Die Bienen würden wohl Danke sagen – dafür, dass sie nun zwei Jahre lang ein Problem weniger haben. Ein Problem, das in Österreich ohne EU vermutlich noch weiterbestehen würde. Aber beginnen wir am Anfang. Der liegt in der Mitte der 2000er-Jahre, als Umweltschutzorganisationen einen neuen Feind für Bienenvölker ausmachten – Pestizide, speziell solche aus der Gruppe der Neonicotinoide, gerieten in Verdacht, Bienenvölker zu schädigen. Es folgten Studien und Kampagnen, über mehrere Jahre wurde diskutiert. Und während etwa Deutschland, Slowenien und Frankreich schon recht bald bestimmte Neonicotinoide auf bestimmten Pflanzen verboten, hielt man sich in Österreich zurück.
Die Pestizide, konkret geht es dabei um die drei Nervengifte Clothianidin, Imidacloprid und Thiamethoxam, werden in der Landwirtschaft eingesetzt, um Schädlinge wie den Maiswurzelbohrer zu bekämpfen. Eine effektive Methode, die noch dazu sehr gezielt eingesetzt werden kann, indem nicht die Pflanzen besprüht, sondern die Samen darin getränkt werden. Allein, das Pestizid gelangt dadurch in sämtliche Teile der Pflanze, inklusive Pollen. Genau dort wird es für die Honigbienen zur Gefahr. Bereits vier Nanogramm sind für die Insekten tödlich, in einer geringeren Dosierung führt das Gift zu Orientierungsstörungen und anderen Schäden.
Landwirte vor Bienen
Anfang 2013 legte die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (Efsa) einen Bericht vor, in dem die Risken für die Bienen identifiziert wurden. Im Mai 2013 wurde schließlich über ein EU-weites Verbot abgestimmt. Doch der damalige Umwelt- und Landwirtschaftsminister Nikolaus Berlakovich (ÖVP) zeigte bei seinen beiden Zuständigkeitsbereichen eindeutig Präferenzen für die Landwirtschaft. Und sprach sich gegen ein Verbot aus. Österreich stimmte – gemeinsam mit sieben anderen Ländern – gegen das geplante Verbot. Es gehe auch darum, „bäuerliche Existenzen zu schützen“, sagte Berlakovich damals. Und berief sich zunächst auch noch auf das Amtsgeheimnis, um nicht verraten zu müssen, wie viele der für Bienen schädlichen Pestizide jedes Jahr in Österreich in die Umwelt gelangen.
In der Folge sorgten auch durchaus innenpolitische Interessen – es herrschte bereits Wahlkampf – schließlich dafür, dass Berlakovich in der Öffentlichkeit mit Beinamen wie „Bienenkiller“ oder „Chemical-Niki“ bedacht wurde. Und so gab schließlich auch Österreich den Widerstand gegen ein Verbot auf. Allein, das war mittlerweile obsolet. Denn weil sich die Mitgliedstaaten im EU-Rat nicht einigen hatten können, ging die Entscheidung auf die EU-Kommission über. Und die beschloss am 24. Mai 2013 schließlich einen Kompromiss. Ein Pestizidverbot, das die Aufbringung der drei Neonicotinoide auf bestimmte Pflanzen umfasste. Aber auch eine Befristung der Maßnahme auf zwei Jahre. Danach, so der Plan, soll wissenschaftlich überprüft werden, was das temporäre Verbot gebracht hat. Dass Österreich nach dem EU-Beschluss das Verbot sogar auf drei Jahre ausdehnte, sei der Vollständigkeit halber erwähnt.
Hat sich die EU also als Lobby für die Bienen präsentiert? In jedem Fall. „Es ist sicher gut für die Bienen, wenn Agrochemikalien nicht verwendet werden“, sagt Karl Crailsheim, Universitätsprofessor am Grazer Institut für Zoologie. Allerdings: Die nun temporär verbotenen Neonicotinoide seien „sicher nicht die Hauptursache“ für das Bienensterben. Auch zum Beispiel die Varroamilbe und die landwirtschaftlichen Monokulturen machten den Insekten zu schaffen. Und, so Crailsheim, die zwei Jahre seien definitiv zu kurz, um einen wissenschaftlichen Beweis zu führen.
Forschung nach Alternativen
Immerhin, an einer Front herrscht für die Bienen nun zumindest ein bisschen Entspannung. Und vielleicht werden die zwei – in Österreich sogar drei – Jahre ja genutzt, um Alternativen zu den Neonicotinoiden zu entwickeln. Und vielleicht ergeben sich dadurch für die Landwirte andere Möglichkeiten, gegen Schädlinge vorzugehen. Somit dürfen die Bienen der EU jedenfalls danken. Zumindest für eine kurze Atempause.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.05.2014)