Kaum Dokumente, keine E-Mails: Unter absoluter Geheimhaltung haben EU, EZB und IWF Szenarien eines Griechenland–Austritts aus der Eurozone durchgespielt. Offiziell hieß es aber immer, ein „Grexit“ sei keine Option.
Brüssel/Athen/Wien. Die Griechenland-Krise hat die EU und ihre Mitgliedstaaten vor viele Probleme gestellt – und vor ein Dilemma: Sollte Griechenland den Euro verlassen, braucht es einen Notfallplan. Aber wenn man die Arbeit an einem solchen zugibt, dann steigt die Chance eines solchen „Grexits“ exponentiell an.
Die Lösung: Seit Anfang 2012 haben Vertreter der EU und der Europäischen Zentralbank in Kooperation mit dem Internationalen Währungsfonds unter strengster Geheimhaltung einen Plan ausgearbeitet, wie ein Ausstieg Griechenlands aus der Währungsunion aussehen könnte – für alle Fälle. Das hat die „Financial Times“ als Ergebnis einer sechs Monate langen Recherche aufgedeckt. Der Titel des ominösen Projekts, über das auch in Athen nur eine kleine Handvoll an Regierungsvertretern Bescheid wussten: „Plan Z“.
Österreicher beteiligt
Insofern darf EZB-Präsident Mario Draghi sich herausreden, er hätte nicht gelogen, als er im April 2013 in einer Pressekonferenz sagte, es gäbe ganz sicherlich keinen „Plan B“ für Griechenland. Den Plan gab es schon – er hieß nur anders. Die „FT“ zitiert einen mit dem Plan befassten Offiziellen, dessen Name unbekannt bleibt: „Wir haben immer gesagt, dass die Griechen in der Eurozone bleiben sollen. Aber ist die Chance, dass sie gehen, null? Nein. Wenn es auch nur eine zehnprozentige Chance für ein solches Event gibt, muss man sich vorbereiten.“ Die entscheidenden Personen bei der Ausformulierung von „Plan Z“ waren der Deutsche Jörg Asmussen, damals Teil des EZB-Direktoriums, der Österreicher Thomas Wieser, Chef der „Arbeitsgruppe Euro“, der italienische EU-Kommissionsmitarbeiter Marco Buti und der Däne Poul Thomsen als Vertreter des IWF.
Unter Draghis Vorgänger Jean Claude Trichet, waren Vorbereitungen auf einen „Grexit“ noch streng verboten – aus Angst, etwas könnte an die Öffentlichkeit gelangen. Ab 2012 wurde zwar geplant – aber nur unter höchster Geheimhaltung. Laut „FT“ wurde der komplette Plan nie zu Papier gebracht und die Teilnehmer an den Vorbereitungen waren angewiesen, kein einziges E-Mail zu dem Prozess untereinander auszutauschen.
Ihren Höhepunkt erreichten die Planungen im Juni 2012, als die linke Syriza-Partei sich anschickte, die Wahlen zu gewinnen und die Abmachungen mit der EU für nichtig zu erklären. Während die meisten Spitzenpolitiker zum G20-Treffen am griechischen Wahlwochenende nach Mexiko flogen, blieben EU-Kommissar Olli Rehn und EZB-Chef Mario Draghi in Europa – um auf einen möglichen Euro-Ausstieg Griechenlands reagieren zu können.
Abwertung des „griechischen“ Euro?
Laut „FT“ spielten die Experten eine ganze Reihe von Szenarien durch, die sie für einen möglichen Weg hielten: von der Abwertung des „griechischen“ Euro um 50 Prozent bis zu einem echten Staatsbankrott Griechenlands. Wenn eine neue griechische Regierung den Pakt mit der EU einseitig aufgelöst hätte, weil die Bedingungen ihnen zu hart erschienen, wäre Griechenland vollkommen ohne Geldgeber dagestanden – das Bankensystem wäre kollabiert. Ähnliches wäre im Falle eines Bank Runs zu befürchten gewesen.
Aber das Horrorszenario ist ausgeblieben und auch die neue Regierung hat sich den Bedingungen der EU-Geldgeber unterworfen. Der „Grexit“ hat (noch) nicht stattgefunden. (jil)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.05.2014)