Der Patient ist vorerst stabil

Bunte Schirme im Stadtteil Alfama in Portugals Hauptstadt, Lissabon, im Frühling 2014
Bunte Schirme im Stadtteil Alfama in Portugals Hauptstadt, Lissabon, im Frühling 2014(c) REUTERS (RAFAEL MARCHANTE)
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Europa. Nach drei Jahren und 78 Mrd. Euro an Hilfsgeldern verlässt Portugal den Rettungsschirm. Das Land hat abgespeckt, aber der Schuldenberg wächst weiter.

Lissabon/Brüssel/Wien. Kurz vor dem vorläufigen Ende des portugiesischen Dramas wird es noch einmal spannend. Seit Donnerstag protestieren eine Reihe von Künstlern und ihre politischen Unterstützer (aus der sozialistischen Opposition) gegen einen – aus ihrer Sicht besonders perfiden – Plan der Regierung, die leeren Staatskassen aufzufüllen: die Versteigerung von 85 Bildern des katalanischen Malers Joan Miró, die aus dem Besitz der notverstaatlichten BPN-Bank stammen.

Von Porto bis Lissabon und sogar in London sollen nun Proteste für eine Sache stattfinden, die ohnehin schon gewonnen scheint. Eine bereits geplante Auktion wurde bereits Anfang Februar wieder abgesagt. Als Symbol im Kampf gegen die Sparpläne der konservativen Regierung von Premier Pedro Passos Coelho müssen die Bilder trotzdem weiterhin herhalten – auch, weil es an Alternativen fehlt.

Denn Portugal wird an diesem Samstag offiziell den sogenannten Rettungsschirm der EU-Partner verlassen. Es hat drei Jahre gedauert und insgesamt 78 Mrd. Euro gekostet: Aber Portugal kann wieder auf eigenen Beinen stehen – wie die erfolgreiche Auktion von Staatsanleihen mit zehnjähriger Laufzeit Ende April schon gezeigt hat.

„Der portugiesische Staat wird seine Gesetze jetzt nicht mehr Satz für Satz mit seinen Geldgebern verhandeln müssen“, so Vizepremier Paulo Portas. Nach Irland und Spanien ist Portugal das dritte Land, das durch die EU-Hilfen wiederbelebt wurde. Aber während die Freude in Lissabon und Brüssel groß ist – die Arbeit ist keinesfalls getan. Noch liegt der Patient auf der Intensivstation, aber zumindest ist sein Zustand inzwischen stabilisiert, und die Ärzte sind sich über die Behandlung einig. Auch die Rezession scheint überwunden: Sank die Wirtschaftsleistung 2013 noch um 1,4 Prozent, so erwartet man für heuer ein Wachstum von 1,2 Prozent.

„Ich hoffe, dass wir alle gelernt haben: Durch Verschwendung und das Ausgeben von Geld, das wir gar nicht haben, unternehmen wir nichts für das Wohlergehen der Portugiesen“, sagte Parlamentsminister Luis Marques Guedes. Portugal hat seine Staatsausgaben seit 2010 um zwölf Mrd. Euro gesenkt und durch den Verkauf von Anteilen an ehemaligen Staatsunternehmen wie der Post oder mehreren Energieversorgern rund 8,1 Mrd. Euro eingenommen – drei Mrd. mehr, als im Rettungsprogramm vorgesehen waren.

Ein Riss durch Europa

Die Renditen auf portugiesische Staatsanleihen sanken schon Anfang Mai – kurz nach der erfolgreichen Auktion – auf bis zu 3,44Prozent: so tief wie seit 2006 nicht. Ein besseres Zeichen für eine Rückkehr des Vertrauens als sinkende Renditen gibt es kaum. Auf dem Höhepunkt der Krise standen portugiesische Renditen bei mehr als 18 Prozent – ab sieben Prozent ist die „kritische Zone“ erreicht. Aber nach der Ankündigung des EZB-Chefs Mario Draghi, „alles zu tun“, um den Euro zu verteidigen, sanken die Renditen in ganz Europa. Für Irland, Spanien und Italien stehen diese inzwischen nur noch zwischen 2,69 und 3,06 Prozent, für Frankreich bei nur 1,8 Prozent auf zehnjährige Anleihen.

Das grundlegende Problem ist freilich längst nicht gelöst: Portugal schiebt einen Schuldenberg von 214 Mrd. Euro vor sich her – das entspricht 129 Prozent der Wirtschaftsleistung des Landes. In Europa tobt derweil eine Debatte über die Gefahren einer Deflation in der Eurozone – also fallender Preise. In Portugal liegt die Inflationsrate derzeit bei minus 0,1Prozent. Zum Vergleich: Österreich verzeichnet mit 1,6 Prozent derzeit die höchste Inflationsrate in Europa. Im Kern der Eurozone gibt es also keine Deflationsgefahr.

Die EZB muss diesen Riss, der durch Europa geht, irgendwie kitten. Sollte die Deflation im Süden problematisch werden, könnte auch Deutschland weiteren geldpolitischen Lockerungen zustimmen. Die Zinsen im Euroraum liegen aber bereits auf einem Rekordtief von 0,25 Prozent. Die Deflation im Süden ist auch ein logischer Teil des Anpassungsprozesses innerhalb der Eurozone – und für die aus der Zeit nationaler Währungen die Plage der Inflation gewohnten Südeuropäer sicher nicht das größte Übel.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.05.2014)

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