Währungsfonds warnt vor Reformmüdigkeit in Griechenland

Schuldenkrise. Der IWF ortet eine sinkende Bereitschaft zu Strukturreformen, Privatisierungen und politischem Neubeginn.

Washington/Athen. Nach Ansicht des Internationalen Währungsfonds (IWF) ist die Odyssee um die griechischen Staatsschulden noch lange nicht zu Ende. Zwar mag Griechenland bei der Bewältigung der Schulden- und Wirtschaftskrise Fortschritte gemacht haben, doch von dem Ziel der finanziellen Selbstständigkeit ist das Land noch weit entfernt, teilte der IWF am Dienstag mit. Die EU solle sich daher auf weitere Hilfsmaßnahmen einstellen.

Mittlerweile schreibt Athen zwar einen primären Überschuss – wird der Schuldendienst ausgeklammert, nimmt der Staat mehr ein, als er ausgibt. Doch der Schuldenberg ist mit derzeit rund 170 Prozent des BIPs derart riesig, dass die Griechen auf Jahrzehnte hinaus eiserne Budgetdisziplin halten müssten, um ihn abzutragen. Genau an dieser Bereitschaft, den eng geschnallten budgetären Gürtel nicht zu lockern, hat der Währungsfonds aber zusehends Zweifel. Denn nach Ansicht des IWF kommt die Regierung in Athen weder bei den für die nachhaltige Sanierung notwendigen Strukturreformen noch bei den versprochenen Privatisierungen voran – und zugleich schwinde der politische Wille für einen Neubeginn, heißt es.

Eine ähnliche Diagnose stellt der Thinktank Eurasia Group, der die jüngste Regierungsumbildung als Vorbereitung auf eine vorgezogene Neuwahl im kommenden Jahr deutet: Die neuen Mitglieder des Kabinetts von Premier Antonis Samaras seien dem populistischen Flügel der Regierungspartei ND zuzurechnen und primär an Stimmenfang interessiert, so Eurasia-Europa-Chef Mujtaba Rahman.

Die Europäer und der IWF haben Griechenland bis dato mit 240 Mrd. Euro ausgeholfen, hinzu kam ein privater Schuldenschnitt von 105 Mrd. Euro. Das zweite internationale Hilfspaket in Höhe von 144,6 Mrd. Euro läuft in diesem Jahr aus. Um nicht zu weiteren Reformen gezwungen zu werden, will die Regierung Athen nicht ein drittes Mal Hilfe anfordern. (ag./la)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.06.2014)

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