Brüssel entschied: Österreich muss Genmais zulassen

(c) AP (Sven Kaestner)
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Die EU-Kommission kippt das Importverbot. Sie hält ein Importverbot für einen Verstoß gegen die Grundsätze der WHO. Minister Pröll hält aber am Anbauverbot fest.

BRÜSSEL. Gentechnikfrei – das ist für Österreich vorbei. Die EU-Kommission hat gestern, Mittwoch, das Importverbot für zwei gentechnisch veränderte Nutzpflanzen in Österreich aufgehoben: Es sind die beiden Maissorten MON810 und T25, die ab sofort als Nahrungs- und Futtermittel zugelassen werden müssen. Bisher verhinderte dies das österreichische Gesetz. Einige Experten hatten Sorge um die Auswirkungen auf die Gesundheit von Mensch und Tier geäußert, und die österreichische Bevölkerung ist mehrheitlich für gentechnikfreie Lebens- und Futtermittel.

Die EU-Kommission erachtet die Bedenken bei den beiden betroffenen Sorten aber als nicht gerechtfertigt. Sie hält ein Importverbot vielmehr für einen Verstoß gegen die Grundsätze der Welthandelsorganisation, der auch alle 27 EU-Staaten angehören. Diese hatte bereits mit saftigen Strafen gedroht, sollte der freie Handel in der Union weiterhin behindert werden. Österreich muss also seinen Markt für die beiden Genmais-Sorten MON810 und T25 öffnen.

Schlappe nach Patt im Rat

Den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen betrifft der neue Beschluss der EU-Kommission als oberste Verwaltungsbehörde Europas allerdings nicht: „Der Anbau bleibt gentechnikfrei“, betont Landwirtschaftsminister Josef Pröll (ÖVP). Von der Einigung der Kommission über den Genmais zeigte er sich enttäuscht. Denn die Aufhebung des Importverbots ist eine empfindliche Schlappe für Österreich in Brüssel, nachdem es jahrelang im Rat der EU-Regierungsvertreter dafür gekämpft hatte, seine Beschränkungen aufrecht erhalten zu dürfen.

Im EU-Rat hatte Österreich lange verlässliche Mitstreiter gegen gentechnisch veränderte Nutzpflanzen, darunter Frankreich, das die jüngste Entscheidung der Kommission ebenfalls skeptisch sieht. Im Vorjahr kam es aber zu einem Patt unter den EU-Ländern, sodass die Kommission das letzte Wort über die Sorten MON810 und T25 hatte. 25 gentechnisch veränderte Pflanzen-Sorten sind bereits auf dem EU-Markt zugelassen, einige davon auch in Österreich, wie das Landwirtschaftsministerium zugibt. Vier Sorten wurden in der Union auch für den Anbau von Nahrungs- und Futtermitteln zugelassen, in Österreich sind diese aber weiterhin nicht erlaubt.

Auch was die Sorten MON810 und T25 betrifft, hat man im Ministerium auf Anfrage der „Presse“ die Hoffnung, dass sie zwar per Gesetz ab sofort zugelassen sind, die Regale im Handel aber weiterhin gentechnikfrei bleiben: Die Anbieter wären „sehr sensibel“ für die Wünsche der Konsumenten – und die würden Genmais weiterhin ablehnen, meinte ein Sprecher von Landwirtschaftsminister Pröll.

Außer MON810 und T25 steht seit dem Vorjahr auch die sogenannte Genkartoffel „Amflora“ auf dem Prüfstand der Kommission. Ob sie in Österreich ebenfalls bald zugelassen werden muss, blieb am Mittwoch offen.

Konsumentenschützer sehen die Entscheidung mit Sorge. Für Greenpeace ist die Sicherheit von Nahrungs- und Futtermitteln durch den jüngsten Beschluss der EU-Kommission nicht mehr ausreichend gewährleistet.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.05.2008)

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