Herman Van Rompuy versucht die Quadratur des Kreises

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Strategiepapier des Ratschefs kombiniert divergierende Interessen.

Brüssel. „Eine Agenda für die Union in Zeiten des Wandels“ – diesen Titel trägt ein vier Seiten umfassendes Arbeitspapier aus der Feder Herman Van Rompuys. Der Präsident des Rats der EU-Mitglieder versucht darin nichts Geringeres als die Quadratur des europapolitischen Kreises: Es geht darum, die divergierenden Interessen von Nord und Süd, Ost und West – unter besonderer Berücksichtigung Großbritanniens – unter einen Hut zu bringen.

Das Unterfangen ist aus zwei Gründen notwendig geworden: Erstens geht es um die Balance zwischen europäischen Institutionen im Kontext der Ernennung des neuen Präsidenten der EU-Kommission. Aus der Perspektive einiger europäischer Hauptstädte ist das Beharren des Europaparlaments auf der Nominierung des christdemokratischen Spitzenkandidaten Jean-Claude Juncker für den Brüsseler Topposten ein Griff nach der Macht innerhalb der Union, denn die Kandidatenkür obliegt gemäß EU-Vertrag dem Rat, und zwar unter Berücksichtigung des Ergebnisses der Europawahl – was nach Ansicht der Briten, Schweden und Niederländer nicht unbedingt heißt, dass der Kandidat der siegreichen Partei automatisch den Zuschlag erhält.

Nachdem die Staats- und Regierungschefs der EU es aber verabsäumt hatten, das Spitzenkandidaten-Prinzip im Vorfeld der Wahl infrage zu stellen, sind sie nun – nolens volens – den Wählern im Wort. Daher also die Bemühung des Ratspräsidenten, dem künftigen Kommissionschef, der aller Voraussicht nach beim kommenden EU-Gipfel am Donnerstag und Freitag nominiert wird, seinen Kurs möglichst klar vorzugeben.

Grund Nummer zwei: Mit dem Papier soll der britischen Regierung ein gesichtswahrender Ausweg aus ihrer politischen Sackgasse eröffnet werden. Premier David Cameron hat sich nämlich mit seinem Fundamentalwiderstand gegen Juncker weitgehend isoliert und dürfte am Freitag überstimmt werden. Im Gegenzug verspricht Van Rompuy, die künftige Kommission auf einen den Briten genehmen Kurs einzuschwören: Es geht im Wesentlichen um eine Stärkung der europäischen Wettbewerbsfähigkeit, eine Vertiefung des Binnenmarkts, Freihandel mit den USA und weniger Einmischung der Brüsseler Bürokratie in die nationalen Angelegenheiten – alles Anliegen, mit denen sich Deutschland und der nordische Block in der EU gut anfreunden können.

„Langweilige alte Tante“

Allzu konkret werden kann Van Rompuy aber nicht, denn auch Italien und Frankreich haben ihre Begehrlichkeiten – und da geht es nicht um strengen Wettbewerb, sondern um Milde bei der Ahndung von Budgetdefiziten. Im Gegenzug für seine Stimme für Juncker wünscht sich der italienische Premier, Matteo Renzi, mehr „Flexibilität“ bei den EU-Defizitkriterien – staatliche Investitionen in Wachstum sollen ausgeklammert werden. Die EU sei zu einer „langweiligen alten Tante“ verkommen, die Italien zu viele Vorschriften mache, kritisierte Renzi gestern. (la)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.06.2014)

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