EU-Parlament: Im Zweifel auch mit Neofaschisten

Alessandra Mussolini
Alessandra Mussolini(c) REUTERS (VINCENT KESSLER)
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Der Europäischen Volkspartei droht Ungemach. Der Einzug von Alessandra Mussolini spaltet die Fraktion. Ein Südtiroler ist deshalb Gast bei der ÖVP-Delegation.

Straßburg. „Am Ende werden uns diese Bürokraten in die EVP aufnehmen“, sagte Alessandra Mussolini 2008 in einem Interview mit der italienischen Tageszeitung „La Repubblica“. Sie sollte recht behalten. Heute sitzt die Enkelin des Duce, die sich nie von der Gewaltherrschaft ihres Großvaters distanziert hat und gern mit starken Worten gegen Muslime, Zuwanderer und Homosexuelle auftritt, in der größten Fraktion des Europaparlaments, der Europäischen Volkspartei. Sie ist über die Liste von Silvio Berlusconis Forza Italia bei den vergangenen Europawahlen zum zweiten Mal in ihrer politischen Karriere in das EU-Parlament eingezogen.

Nachdem 2007, Mussolini war damals noch Mitglied der neofaschistischen Azione Sociale, eine gemeinsame EU-Fraktion mit der FPÖ und anderen rechten Kräften durch ihre Attacken gegen rumänische Zuwanderer („notorische Kriminelle“) zerbrochen ist, droht die Italienerin nun auch ihre neue politische Heimat, die Europäische Volkspartei, zu spalten. „Ich bin in der EVP wegen meines Namens unerwünscht“, klagte Mussolini bereits nach den ersten Sitzungen in Straßburg. Vor allem deutsche EVP-Abgeordnete hätten sich gegen ihre Einbindung ausgesprochen.

Bereits vor der Wahl hat es eine interne Debatte darüber gegeben, ob die Fraktion der Europäischen Volkspartei weiterhin mit den zunehmend EU-kritischen, nationalistischen Vertretern der Forza Italia und des ungarischen Fidesz zusammenarbeiten sollte. Doch beide Gruppen schienen für das Gesamtergebnis der Parteifamilie und damit auch für die Bestellung des EVP-Spitzenkandidaten Jean-Claude Juncker zum Kommissionspräsidenten von Bedeutung. Deshalb wurde die Kooperation fortgesetzt. 13 EU-Abgeordnete stellt letztlich die Forza Italia im neuen Europaparlament, zwölf der ungarische Fidesz. Ohne die Einbeziehung der beiden Parteien hätte die EVP statt 220 Abgeordneter heute also nur noch 195 und damit lediglich einen hauchdünnen Vorsprung vor den Sozialdemokraten mit 191 Abgeordneten.

Nun ist aber die Juncker-Wahl geschlagen, und der Unmut über die neofaschistischen und nationalistischen Kräfte in den eigenen Reihen nimmt zu. Mussolini hatte in der Vergangenheit nicht nur zu rechten, sondern auch zu rechtsradikalen Kräften wie der deutschen NPD Kontakt. In einer Fernsehdebatte mit einem kommunistischen Politiker, der als transsexuell bekannt ist, hatte sie erklärt, sie sei „lieber Faschistin als schwul“.

Herbert Dorfmann, Abgeordneter der Südtiroler Volkspartei (SVP), zog als Erster auch persönliche Konsequenzen aus dem Einzug Mussolinis in die EVP. Er verließ die italienische EVP-Delegation und ankerte bei der ÖVP. „Ich kann nicht in einer italienischen Delegation sein, in der eine Enkelin von Benito Mussolini sitzt“, sagte Dorfmann. Er nimmt nun an den Sitzungen der ÖVP-Europaabgeordneten teil. „Wir müssen jetzt sehr wachsam sein“, sagte ÖVP-Delegationsleiter Othmar Karas diese Woche im Gespräch mit der „Presse“. Er will von einem Ausschluss Mussolinis, der Forza Italia oder des Fidesz derzeit nicht reden. „Bisher gibt es im politischen Verhalten dieser Abgeordneten kein Problem. Sollten sich aber nationalistische Tendenzen verstärken, müssten wir aktiv werden.“ Parteipolitische Logik dürfe nicht über Werte gestellt werden, so Karas.

„Kein Platz für Faschisten“

Kurios ist, dass es in der Vergangenheit vor allem der damalige Luxemburger Premier, Jean-Claude Juncker, war, der die Öffnung der EVP für rechtsnationale und neofaschistische Kräfte kritisierte. Als 2008 Alessandra Mussolini und Giuseppe Carrapico, ebenfalls ein deklarierter Nostalgiker des Faschismus, erstmals auf einer Liste von Berlusconis Partei für die italienischen Parlamentswahlen auftauchten, drängte Juncker zum Ausschluss der Forza Italia aus der Parteifamilie. „In der EVP ist kein Platz für Faschisten“, sagte Juncker damals. Der damalige EVP-Präsident, Hans-Gert Pöttering, bekräftigte, dass man keine Extremisten zulassen werde.

Die Europäische Volkspartei ist seit vielen Jahren die stärkste Kraft im Europaparlament. 2009 spalteten sich aber die britischen Tories ab und gründeten eine eigene Fraktion. Seitdem muss die EVP um ihre Mehrheit bangen. In Umfragen vor der Europawahl im Mai lag sie bereits zeitweise auf Platz zwei hinter den Sozialdemokraten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.07.2014)

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