Neuer Konflikt um deutsche Maut

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Selbst eigene Parteifreunde haben Bedenken gegen die Mautpläne von Verkehrsminister Dobrindt. Es drohen ein großer Verwaltungsaufwand und Probleme in Grenzregionen.

Berlin/Wien. Alexander Dobrindt, Deutschlands Verkehrsminister (CSU), kann vorerst nicht auf sommerliche Entspannung hoffen. Seine Anfang Juli präsentierten Pläne zur Einführung einer fächendeckenden Pkw-Maut sorgen für Kontroversen – abwechselnd mit EU-Nachbarn, den eigenen Parteifreunden und dem Koalitionspartner SPD. Nachdem ihm die österreichische Verkehrsministerin Doris Bures (SPÖ) erst vergangene Woche mit einer Klage vor dem Europäischen Gerichtshof gedroht hatte, eskalierte am Wochenende wieder die heimatliche Front.

Sein Parteikollege, Bayerns Verkehrsminister, Joachim Herrmann, forderte eine generelle Ausnahmeregelung für grenznahe Gebiete – darunter auch für das Kleine Deutsche Eck. Er argumentierte, dass die Maut Schaden für Handel und Tourismus verursachen könnte. „Wir müssen mit den Nachbarstaaten reden“, forderte umgehend der Vorsitzende des Bundestagsverkehrsausschusses, SPD-Abgeordneter Martin Burkert. Auch er befürchtet Einbußen in den grenznahen Gebieten. Am liebsten würde Burkert die Pläne allerdings gleich ganz kippen: „Wenn er (Dobrindt; Anm.) es nicht schafft, sind wir Sozialdemokraten die Letzten, die sich dem Ausstieg aus den Plänen verweigern.“

Hermann wurde zwar von seinem Parteivorsitzenden, Horst Seehofer (beide CSU), bereits wieder zurückgepfiffen. Dafür brachte CDU-Finanzminister Wolfgang Schäuble seine Bedenken ein. Er kritisierte den erheblichen Verwaltungsaufwand, um das Versprechen zu halten, deutsche KFZ-Besitzer in gleicher Höhe zu entlasten. Denn im Wahlkampf war von der CSU eine Maut versprochen worden, die lediglich ausländische Fahrer tragen müssen. Laut Dobrindts Plänen soll die Zollverwaltung jeden Steuerbescheid prüfen, um sicherzustellen, dass deutsche Autofahrer nicht zusätzlich belastet würden. Da KFZ-Besitzer je nach Hubraum, Zulassungsjahr und Umweltfreundlichkeit ihres Fahrzeugs unterschiedliche Mautjahresgebühren entrichten sollen, droht ein gewaltiger bürokratischer Aufwand. Laut Schäuble müssten „rund 50 Millionen Kraftfahrzeugsbescheide neu erstellt werden“. Auch er tritt deshalb für eine Abänderung von Dobrindts Vorschlag ein. „Wenn es so nicht geht, muss man es halt anders machen“, sagte Schäuble in einem Interview mit der „Rheinischen Post“.

Bevorzugung von Lkw

Indessen mehren sich auch in Österreich die kritischen Stimmen. Für den Verkehrssprecher der Grünen, Georg Willi, sind Dobrindts Mautpläne „eigentlich schon tot“, wie er bei einer Pressekonferenz am Montag in Wien erklärt hat. Das Modell sei „ganz klar EU-rechtswidrig“ – das gehe auch aus einem Gutachten des Innsbrucker Europarechtlers Walter Obwexer hervor.

Michael Cramer, Vorsitzender des Verkehrsausschusses im Europaparlament, konnte da nur beipflichten: Der Vorschlag des deutschen Verkehrsministers sei „antieuropäisch par excellence“, weil Ausländer bei diesem System benachteiligt würden.

Besonders „absurd“ dabei sei, dass die Pkw-Maut auf alle Straßen gelten soll, während die bestehende Lkw-Maut in Deutschland für Autobahnen, einige Bundesstraßen und nur für Lkw ab zwölf Tonnen vorgesehen sei. „Würde dieser Dobrindt-Vorschlag Realität, dann müssten Lkw zwischen 3,5 und zwölf Tonnen nichts bezahlen, dafür aber alle Pkw-Fahrer“, so der deutsche Grüne.

Er plädiert daher wie Willi für eine fahrleistungsabhängige Abgabe: So könne der deutsche Staat jährlich 400Millionen Euro an Mehreinnahmen lukrieren, wenn beispielsweise die Mineralölsteuer um einen Cent pro Liter erhöht würde. Die Prognosen für die Einnahmen aus der „Ausländervignette“ würden dagegen zwischen 250 und 800Millionen Euro schwanken – das entspricht lediglich etwa 0,5 bis zwei Prozent der Gesamteinnahmen aus den Kraftfahrzeugsteuern.

Auch die österreichischen Grünen plädieren statt der Vignette für eine kilometerabhängige Maut auf heimischen Straßen: „Derzeit bezahlt jemand, der jährlich 10.000 Kilometer auf der Autobahn fährt, 0,7 Cent pro Liter, wer nur 1500 Kilometer fährt, hingegen fünf Cent“, so Willi. Wer wenig fährt, würde bestraft. Als Gegenfinanzierung der österreichischen Vignette, die jährlich etwa 406 Millionen Euro einbringt und 21 Millionen an bürokratischem Aufwand verursacht, kann sich Willi eine Erhöhung der Mineralölsteuer um drei bis vier Cent pro Liter vorstellen. (aga/wb)

LEXIKON

Wann startet die Maut? Deutschland plant die Einführung ab Jänner 2016. Allerdings könnte sich die Gesetzgebung noch verzögern, wenn es wie erwartet Einwände der EU-Kommission gibt.

Wer ist betroffen?
Alle Fahrzeughalter aus dem In- und Ausland, die mit ihren Wagen mit einem zulässigen Gesamtgewicht von bis zu 3,5 Tonnen deutsche Straßen benutzen, brauchen eine Vignette.

Wo soll die Maut gelten? Die Maut soll nicht auf Autobahnen, sondern auch auf allen Bundes-, Landes- und Kommunalstraßen gelten. Einen innenpolitischen Streit gibt es noch darüber, ob grenznahe Gebiete von der Maut ausgeschlossen werden sollen.

Zahlen alle gleich viel?
Nein. Ausländische Straßenbenutzer haben die Wahl zwischen einer Zehntagesvignette um zehn Euro, einer Zweimonatsvignette um 20 Euro und einer Jahresvignette. Deren Preis wird nach Umweltfreundlichkeit der Fahrzeuge sowie nach Hubraum und Zulassungsjahr berechnet. Wer sein Auto in Deutschland angemeldet hat, muss eine Jahresvignette haben. Allerdings erhalten deutsche Autohalter eine Refundierung über die Kfz-Steuer. Die durchschnittliche Höhe der Abgabe soll nach Angaben des deutschen Verkehrsministeriums 88 Euro betragen. Als Höchstgrenzen wurden 103,04 Euro für Benzin- und 112,35 Euro für Dieselfahrzeuge errechnet.

Wo gibt es die Vignette?
Ausländische Fahrer sollen Vignetten an Tankstellen und im Internet kaufen können. Für Autos, die in Deutschland gemeldet sind, soll die Vignette automatisch zugeschickt werden.

Wie viel verdient der Staat?
Nach Berechnungen des deutschen Verkehrsministeriums wird die Maut Einnahmen von 2,5 Milliarden Euro in der gesamten Legislaturperiode (ca. 600 Mio. pro Jahr) bringen. Die erheblichen Verwaltungskosten sollen bei dieser Berechnung bereits abgezogen sein.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.07.2014)

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