Kampf gegen Google-Vormacht 2.0

Wettbewerbsrecht. Berlin fordert eine Zerschlagung des US-Internetkonzerns.

Berlin/Brüssel. Wettbewerbskommissar Joaquín Almunia hätte den Fall gern noch vor dem Ende seiner Amtszeit abgeschlossen. Doch nun drohen die Verhandlungen zwischen der EU-Kommission, dem US-Internetkonzern Google und einer Gruppe von Konkurrenzunternehmen in eine nächste Runde zu gehen. Die Deutsche Telekom AG sowie deutsche und französische Verlage sollen neue Vorwürfe gegen Google wegen der Ausnutzung seiner marktbeherrschenden Stellung eingebracht haben, berichtete diese Woche der Nachrichtendienst Bloomberg.

War das bisherige Verfahren auf konkrete Nachteile für konkurrierende Suchdienste beschränkt, die Google etwa bei der Recherche nach Hotels gegenüber eigenen Angeboten benachteiligt hatte, so gehen die neuen Vorwürfe in Richtung einer breiten Manipulation von Meinung und Wirtschaft. Deutschlands Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel sowie sein Kollege im Justizressort, Heiko Maas, forderten zuletzt sogar eine Zerschlagung des Google-Konzerns.

Die Angst, der US-Konzern, über den in Europa rund 90 Prozent aller Suchanfragen laufen, könnte seine marktbeherrschende Stellung dafür nutzen, um sowohl Nachrichten als auch Chancen einzelner Unternehmen zu manipulieren, wächst. Wenn Google die Reihenfolge der Suchergebnisse etwa danach ordnet, wer bereits Anzeigen im Konzern geschaltet hat und wer nicht, werde damit der Wettbewerb deutlich verzerrt, so der Vorwurf. Unternehmen, die sich nicht mit Google arrangieren, hätten dann kaum noch Chancen auf einen sichtbaren Internetauftritt.

„Entmündigte Bürger“

„Google könnte mittlerweile fast jedes Unternehmen in den Ruin treiben“, warnte kürzlich der wiederbestellte Präsident des Europaparlaments, Martin Schulz (SPD). Er sprach sogar von einer „Entmündigung der Bürger“ durch den US-Konzern.

Almunia soll dem Vernehmen nach mit Google unter anderem vereinbart haben, dass bei Suchergebnissen ein eigener Kasten mit Angeboten der Konkurrenz aufscheinen muss. Dafür hätte Google aber Gebühren einheben dürfen. Der Deal sollte im September unter Dach und Fach gebracht werden. Mit ihm wäre der US-Konzern ohne Bußgeld davongekommen. Doch mittlerweile ist eine neue Welle von Beschwerden gegen Google in der EU-Kommission eingetroffen. Es gehe nicht nur um die Suchmaschine, sondern auch um Streaming-Dienste und um Android, das Google-Betriebssystem für Handys, heißt es aus Brüssel.

In der EU-Kommission wird mittlerweile davon ausgegangen, dass der seit 2010 ausgetragene Konflikt mit Google um weitere Jahre verlängert wird. Almunia wird den Fall also an seinen Nachfolger weiterreichen. (ag./wb)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.07.2014)

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