Binnenmarkt-Bonus für Österreich

Taschenrechner und Eurogeld
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Die Teilnahme am Binnenmarkt hat das österreichische BIP pro Kopf um 280 Euro pro Jahr gesteigert – Platz drei hinter Dänemark und Deutschland.

Gütersloh. Er ist der kleinste gemeinsame Nenner, auf den sich alle europäischen Politiker einigen können – der Binnenmarkt der EU. Die Teilnahme am freien Waren-, Personen- und Dienstleistungsverkehr innerhalb der Union gilt gemeinhin als Turbo für die Wirtschaftsleistung und wird immer wieder ins Feld geführt, wenn es darum geht, EU-Skeptikern den Wind aus den Segeln zu nehmen. Dieses positive Argument war aber schwer zu beziffern – bis jetzt, denn Forschern der Bertelsmann Stiftung ist es nun erstmals gelungen, die Auswirkungen des Binnenmarkts zu quantifizieren. Aus der am gestrigen Montag präsentierten Studie geht hervor, dass Dänemark, Deutschland und Österreich zu den größten Profiteuren der EU zählen.

Um diese Rechenaufgabe zu bewältigen, erarbeiteten die Studienautoren ein dreistufiges Modell, mit dem die monetären Vorteile der europäischen Integration in Zahlen gegossen wurden. In einem ersten Schritt wurde für jedes Mitgliedsland der Grad der innereuropäischen Verflechtung im Zeitraum 1992 bis 2012 auf einer Skala von null bis 100 ermittelt. Dann wurde errechnet, welchen Einfluss diese Verflechtung auf das Wirtschaftswachstum hatte, und zu guter Letzt wurde dieser Mehrwert auf das BIP pro Kopf – ein Maß des persönlichen Wohlstands – heruntergebrochen.

Ein Rechenbeispiel: 2012 belief sich das deutsche BIP pro Kopf auf 30.170 Euro. Wäre die europäische Integration beim Stand von 1992 verharrt, wären es lediglich 29.490 Euro – somit hat der EU-Binnenmarkt den Wohlstand der Deutschen 2012 um 680 Euro gesteigert. Laut Bertelsmann belief sich das Plus in der Gesamtperiode auf durchschnittlich 450 Euro pro Jahr – überflügelt wurde Deutschland lediglich von Dänemark, wo der Binnenmarkt-Bonus 500 Euro pro Jahr ausmachte. Für Österreich wurde ein Durchschnittswert von 280 Euro ermittelt. Die südeuropäischen EU-Mitglieder Italien und Spanien konnten demnach mit 80 bzw. 70 Euro deutlich weniger vom Binnenmarkt profitieren – was nach Ansicht der Studienautoren mit den krisenbedingten „Verwerfungen“ seit dem Jahr 2009 zu tun hat.

Schlusslicht Großbritannien

Bemerkenswert sind die Zahlen für Großbritannien, das laut Studie am wenigsten vom Binnenmarkt profitieren konnte: Von 1992 bis 2012 belief sich der Mehrwert der europäischen Integration auf lediglich zehn Euro pro Kopf und Jahr. Nach Ansicht der Bertelsmann-Experten hat dieses erstaunliche Ergebnis vor allem mit der asynchronen wirtschaftlichen Entwicklung Großbritanniens Anfang der 1990er-Jahre zu tun, die den Durchschnittswert statistisch verzerrt hat.

1992 war Großbritannien aus dem europäischen Währungsraum hinauskatapultiert worden. Das paradoxe Ergebnis der Währungskrise: Während die europäischen Volkswirtschaften 1993 schrumpften, legte das britische BIP kräftig zu – in diesem Fall hatte sich die geringere Integration also als Vorteil erwiesen. (ag./la)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.07.2014)

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