Großbritannien: Weniger Geld für EU-Arbeitslose

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London kürzt die Bezugsdauer von Sozialleistungen für beschäftigungslose EU-Ausländer von sechs auf drei Monate. Die EU-Kommission will die Gesetzesnovelle prüfen.

Brüssel/London. „Hart arbeitende Menschen haben das Recht auf ein Einwanderungsgesetz, bei dem Großbritannien nicht zu kurz kommt“ – mit diesen Worten leitete der britische Regierungschef, David Cameron, die bereits zweite Verschärfung der Zuwanderungsvorschriften seit dem Jahresbeginn in die Wege. Erklärtes Ziel ist es, Sozialmissbrauch durch Zuwanderer einzudämmen und so im Lauf der nächsten Jahre 500 Millionen Pfund (gut 600 Mio. Euro) einzusparen.

Dass die Ankündigung ausgerechnet vorgestern gemacht wurde, ist kein Zufall – am Dienstag trat nämlich die erste, im Februar angekündigte Verschärfung der Vorschriften in Kraft. Ihr zentraler Passus richtet sich gegen Arbeitsmigranten aus anderen EU-Mitgliedsländern, die von nun an erst nach einer dreimonatigen Arbeitslosigkeit um Sozialleistungen in Großbritannien ansuchen dürfen. Diese Sozialleistungen werden maximal sechs Monate lang ausbezahlt – allerdings gilt dieser Passus nur bis zum kommenden November, wenn die neuen Regeln greifen. Ab dann wird die Anspruchsdauer nämlich von sechs auf drei Monate reduziert – es sei denn, die betroffene Person hat gute Aussichten auf einen neuen Arbeitsplatz und kann dies gegenüber den Behörden auch belegen.

„Richtige Personen“

Man wolle damit erreichen, dass „die richtigen Personen aus richtigen Gründen“ nach Großbritannien kommen, erklärte Cameron, der von seiner Innenministerin, Theresa May, sekundiert wurde: „Wir schaffen ein Einwanderungsgesetz, das fair zu britischen Bürgern und legitimen Migranten ist.“ Inwieweit diese Fairness auch gegeben ist, wird nun die EU-Kommission prüfen, der es obliegt, etwaige Diskriminierungen von EU-Bürgern im europäischen Ausland zu ahnden. Ein Sprecher der Brüsseler Behörde wies am Dienstag darauf hin, dass Migranten im Regelfall einen positiven Beitrag zu den Volkswirtschaften der Gastländer leisten.

Dies gilt auch für Großbritannien, wie immer wieder demonstriert wurde. 2013 legte die staatliche Aufsichtsbehörde Office for Budget Responsibility (OBR) einen Bericht vor, dem zufolge die Zuwanderer in Großbritannien mehr ins Sozialsystem einzahlen, als sie daraus entnehmen – und empfahl verstärkte Zuwanderung, um die finanziellen Lasten des britischen Gesundheits- und Pensionssystems besser schultern zu können.

Anfang Juli wiederum wurde ein interner Bericht des Innenministeriums der BBC zugespielt. Dessen Autoren hatten Dutzende Unternehmen, Thinktanks und Gewerkschaften befragt und kamen zum Schluss, dass Zuwanderer aus der EU das soziale System Großbritanniens nicht belasten – im Gegenteil.

Dass dieser Bericht nicht publiziert, sondern schubladisiert wurde, deutet auf den wahren Kern des Problems hin: Die regierenden Tories, die von der offen EU-feindlichen United Kingdom Independence Party (UKIP) bedrängt werden, schlagen immer öfter migrationsskeptische Töne an, um ihre Wählerschaft bei der Stange zu halten – auch wenn dies ökonomisch nicht wirklich sinnvoll ist. Cameron, der 2015 eine Wahl zu schlagen hat, hat den Briten für den Fall eines Wahlsiegs ein Referendum über den Verbleib Großbritanniens in der EU versprochen – bis dahin will er der Union Zugeständnisse abgerungen haben. Und eines dieser Zugeständnisse ist die Einschränkung der Personenfreizügigkeit in der EU.

Im Zuge der EU-Osterweiterung 2004 kamen viel mehr Osteuropäer nach Großbritannien, als dies ursprünglich prognostiziert worden war – mit ein Grund für den politischen Höhenflug der UKIP.

Auf einen Blick

Bereits zum zweiten Mal seit Jahresbeginn hat die britische Regierung die Einwanderunsgesetze verschärft. Ab November sollen arbeitslose Migranten aus dem EU-Ausland Sozialleistungen nur maximal drei Monate beziehen dürfen – es sei denn, sie können den britischen Behörden beweisen, dass sie gute Aussichten auf einen neuen Arbeitsplatz haben. Bereits im Februar wurde beschlossen, dass EU-Migranten drei Monate warten müssen, bevor sie Anspruch auf Arbeitslosengeld haben. Premier David Cameron hat den Briten bis 2017 ein Referendum über den Verbleib Großbritanniens in der EU versprochen. Bis dahin will er der Union Zugeständnisse entlocken – auch bei der Personenfreizügigkeit.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.07.2014)

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