Personalkarussell: Countdown bis zur neuen EU-Kommission

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Der designierte Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker muss sein Team bis zum nächsten EU–Sondergipfel am 30. August aufstellen. Der Frauenanteil dürfte weit geringer ausfallen als ursprünglich erhofft.

Brüssel. Eigentlich hätte alles schon seit Tagen unter Dach und Fach sein müssen. Bis Ende Juli wollte der designierte Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker (59) von den EU-Mitgliedern ihre Wunschkandidaten für die Posten in der Brüsseler Behörde genannt bekommen – angesichts der Tatsache, dass die Kommissare in spe bereits in der zweiten Septemberhälfte den Europaabgeordneten Rede und Antwort stehen sollen, ist die Zeit denkbar knapp. Doch der Prozess zieht sich in die Länge – und alles deutet momentan darauf hin, dass Junckers Team nicht vor dem Sondergipfel der EU-Staats- und Regierungschefs am 30. August stehen wird. Soll heißen: Die Kandidaten werden gerade einmal zwei Wochen Zeit haben, um sich auf die Hearings im Europaparlament vorzubereiten.

Diese Verzögerungen haben zwei Ursachen: Erstens sitzt den EU-Mitgliedern noch der Schreck von Junckers Nominierung in den Knochen. Der Spitzenkandidat der EVP bei den Europawahlen Ende Mai wurde nämlich auf Geheiß des EU-Parlaments und gegen den britischen Widerstand im Rat durchgeboxt. Nun wollen die nationalen Regierungen einen möglichst großen Einfluss auf die Postenvergabe in der Kommission nehmen, damit ihnen die Brüsseler Behörde nicht entgleitet.

Das Problem ist nur, dass im Rat nicht an einem Strang gezogen wird. Die EU-Mitglieder streiten nämlich untereinander über die Portfolios – und das wirkt sich auf den Nominierungsprozess aus.

Pierre Moscovici (56), der französische Kandidat, ist diesbezüglich ein Paradebeispiel. Paris beansprucht den Posten des Wirtschafts- und Währungskommissars für den ehemaligen Finanzminister – was angesichts der Tatsache, dass Frankreich zu den eingefleischten Defizitsündern zählt, auf Widerstand stößt. Diesen gibt es Gerüchten zufolge auch unter den regierenden französischen Sozialisten. Grund: Bekommt Moscovici den Zuschlag, müsste er Frankreich fortan zum Sparen ermahnen – was seine Parteikollegen im Inland in ein noch schlechteres Licht rücken würde.

Probleme, wenn auch anders geartete, gibt es ebenso mit der italienischen Kandidatin Federica Mogherini (41). Premierminister Matteo Renzi will für seine Außenministerin den Posten des Hohen Außenbeauftragten der EU. Dagegen wehren sich mehrere zentral- und osteuropäische Länder, die Italien eine zu große Nähe zu Russland vorwerfen. Renzi hat sich aber in dieser Frage regelrecht einzementiert.

Lust auf den Posten des EU-Außenministers hätte auch der polnische Ressortchef Radosław Sikorski, der zuletzt als Kandidat Warschaus gehandelt wurde (die polnische Nominierung wurde noch nicht publik gemacht). Intern soll Sikorski bereits angedeutet haben, dass er auch mit einem anderen Ressort zufrieden wäre. Die polnische Regierung hat vier Wunschportfolios: Außenpolitik, Wettbewerb, Binnenmarkt und Energie.

Letzteres war in den vergangenen Jahren die Domäne von Günther Oettinger (60). Dieser soll, geht es nach der deutschen Kanzlerin Angela Merkel, auch der neuen Kommission angehören. Dem Vernehmen nach würde die Regierung in Berlin den gebürtigen Stuttgarter gern als Handelskommissar sehen – doch das letzte Wort obliegt bekanntlich dem künftigen Präsidenten. Überhaupt will das Team um Juncker die nationalen Vorschläge eher als „Angebot“ denn als klare Vorgabe betrachten – und würde über die finale Zusammensetzung und Ressortaufteilung der Kommission in den kommenden Wochen am liebsten unabhängig entscheiden.

Gegen diese Art Personalpolitik wehrte sich Merkel allerdings beim letzten EU-Gipfel Mitte Juli in Brüssel: Sie forderte, dass es bei jenen Kommissaren, die von ihren Regierungen für eine zweite Amtszeit nominiert werden, keine weiteren Diskussionen über deren tatsächlichen Einsatz geben dürfe. Dies käme auch dem von der österreichischen Regierung nominierten Johannes Hahn zugute. Er war in den vergangenen fünf Jahren für Regionalpolitik zuständig und könnte nun sogar zum Vizepräsidenten der Behörde aufsteigen, verlautet aus ÖVP-Kreisen. Die Krux an der Sache aber ist, dass Juncker weiterhin unzufrieden mit der sich abzeichnenden Frauenquote seiner Kommission ist, die nach jetzigem Stand kleiner ausfallen dürfte als im Kabinett Barroso II: Waren bisher neun von 28 Kommissaren weiblich, so haben diesmal lediglich acht Staaten eine Frau vorgeschlagen.

Dazu zählt Schweden, wo die bisherige Innenkommissarin Cecilia Malmström  (46) wieder nominiert wurde. Auch die dänische Klimaschutzkommissarin Connie Hedegaard dürfte für eine zweite Amtszeit in Brüssel bleiben. Fix in der neuen Kommission ist ebenfalls die tschechische Ministerin Věra Jourová. Die Bulgarin Kristalina Georgieva, bisher Kommissarin für humanitäre Entwicklung, könnte Mogherini als Kandidatin für den Posten des Hohen Außenbeauftragten Konkurrenz machen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.08.2014)

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