EU-Kommission: Junckers zähe Suche nach Frauen

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Der künftige Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker wünscht sich mehr weibliche Kandidaten für sein Kabinett. Es ist nicht ausgeschlossen, dass Hahn einer besseren Frauenquote zum Opfer fällt.

Wien. Die Zeit drängt. Am 1. November, in etwas mehr als zwei Monaten also, soll die Kommission Jean-Claude Juncker I ihre Arbeit aufnehmen. Für die Zusammensetzung seines Teams hätte der Luxemburger Christdemokrat gerne mehr weibliche Kandidaten gehabt, als bisher von den Mitgliedstaaten nominiert wurden. Nun aber ist wahrscheinlich, dass die Frauenquote geringer ausfallen wird als im Kabinett Barroso II.

So waren bisher neun Mitglieder des insgesamt 28-köpfigen Kollegiums Frauen. In der neuen Kommission dürften es nach bisherigen Berechnungen lediglich acht werden, und auch das nur, wenn Belgien, wie erwartet wird, EU-Abgeordnete Marianne Thyssen nominiert. Alle anderen Mitgliedstaaten haben die Namen ihrer (Wunsch-)Kandidaten bereits an Juncker übermittelt. Unter den weiblichen Anwärtern sind die langjährige Innenkommissarin Cecilia Malmström aus Schweden sowie die Tschechin Věra Jourová. Zuletzt nominierte Bulgarien die bisherige Kommissarin für humanitäre Hilfe, Kristalina Georgiewa. Juncker muss nun „die bestmögliche Kombination“ für sein Kabinett sondieren, wie es im Umfeld des designierten Kommissionspräsidenten heißt. Die Zuteilung der einzelnen Portfolios könne aber erst erfolgen, wenn der Name des Hohen Außenbeauftragten feststeht, der gleichzeitig Vizepräsident der Kommission ist. Dieser soll bei einem Sondergipfel am 30. August von den Staats- und Regierungschefs bestimmt werden (siehe Artikel unten). Anfang September will Juncker dann die Liste seiner Kommissare präsentieren.

Erfahrung spricht für Hahn

Zumindest bis dahin muss wohl auch Johannes Hahn zittern. Zwar hat die Bundesregierung den ehemaligen ÖVP-Wissenschaftsminister längst für eine zweite Amtszeit in der Brüsseler Behörde nominiert. Allerdings ist weiter nicht ausgeschlossen, dass Juncker Kanzler Werner Faymann um eine Nachnominierung ersuchen wird, um die Frauenquote in seinem Team zu heben. Lieber hätten die Mitarbeiter des künftigen EU-Chefs nämlich mehrere Kandidaten aus Österreich zur Auswahl gehabt, darunter „starke Frauen“. Bisher, so erfuhr „Die Presse“ aus informierten Kreisen in der Regierung, habe es vonseiten Junckers allerdings noch keine Signale gegeben, dass Hahn als Kommissar nicht akzeptiert werden könnte. Für den ÖVP-Mann spricht auch, dass er sich in Brüssel als Regionalkommissar einen guten Ruf erarbeitet hat.

Ablehnung im EU-Parlament?

Doch Juncker selbst ist bei Weitem nicht die einzige Hürde, die ein künftiges Mitglied seines Kabinetts zu überwinden hat. Auch das EU-Parlament muss seinen Sanktus zur Zusammensetzung des Kollegiums geben – und die Abgeordneten haben bereits mehrfach betont, dass nur ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis eine Zustimmung finden werde. „Die Mindestvoraussetzung ist, dass die Frauenquote nicht schlechter als bei der letzten Kommission ist“, fordert auch Jörg Leichtfried im Gespräch mit der „Presse“. Sollte dies nicht der Fall sein, werde seine Fraktion, die zweitgrößte politische Gruppierung im EU-Parlament, dem Kabinett Juncker I aller Voraussicht nach nicht zustimmen, warnt der SPÖ-Delegationsleiter. Die Bürgervertretung könnte eine höhere Frauenquote aber auch über die sogenannten Hearings, bei denen jeder Kommissarsanwärter von den Abgeordneten einzeln auf seine Fähigkeit für das Amt geprüft wird, erzwingen: Wer den Test nicht besteht, ist schuld am Scheitern der Gesamtabstimmung.

Juncker müsste die Zusammensetzung seines Teams dann neu überdenken – eine unangenehme Aufgabe, die er sich wohl schon im Vorhinein durch ein geschlechterspezifisch ausgewogenes Kabinett ersparen will.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.08.2014)

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