Tabak-Richtlinie durch Lobbying verwässert

START DER WIEN-KAMPAGNE ´GEGEN TSCHICKSTUMMEL VOR LOKALEN´
START DER WIEN-KAMPAGNE ´GEGEN TSCHICKSTUMMEL VOR LOKALEN´(c) APA/GEORG HOCHMUTH (GEORG HOCHMUTH)
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Britische Wissenschaftler untersuchten Gesetzestext auf Interventionen.

Wien/London. Dass die Tabakindustrie in Brüssel eine starke Lobby hat, ist seit Langem bekannt. Wie erfolgreich die Interessenvertreter bei der Revision der Tabakrichtlinie von 2009 bis 2014 tatsächlich interveniert haben, untersuchten britische Wissenschaftler mithilfe einer quantitativen Textanalyse – und die Ergebnisse sind beachtlich: So zeigt sich, dass während des Gesetzgebungsprozesses jenes Vokabular, das in Zusammenhang mit „Gesundheit“ oder „Warnung“ steht, abgenommen (von 1,5Prozent aller Worte pro Dokument im ersten Gesetzesentwurf der Kommission 2012 zu 1,21Prozent im finalen Gesetzestext 2014), jenes Vokabular aber, das den Wortstamm „Wirtschaft“ hat, zugenommen hat. „Diese Veränderungen zeigen einen Kurswechsel in der Politik“, analysieren die Wissenschaftler. Das berichtet die Onlineplattform „euobserver“.

Warnhinweise kleiner

„Während die Kommission den Gesetzestext erstellte, wurden Vorschläge zu Beschränkungen bei der Präsentation von Zigaretten am Verkaufsort entfernt, später dann – als das EU-Parlament und der Rat den Vorschlag bearbeiteten – wurde die Größe der bildlichen Warnhinweise von 75 auf 65Prozent pro Zigarettenpackung beschränkt“, so die Autoren. Die Suspendierung des damaligen Gesundheitskommissars, John Dalli – ihm wurden von Kommissionspräsident José Barroso Korruption und zu enge Kontakte zur Tabaklobby vorgeworfen –, habe der Industrie geholfen, das Gesetz zu verzögern.

Die NGO Corporate Europe Observatory, berichtet der euobserver weiter, geht davon aus, dass die Tabakindustrie jedes Jahr mindestens fünf Millionen Euro in die Beeinflussung von EU-Gesetzen investiert. 80Personen sollen allein in Brüssel zu diesem Zweck beschäftigt sein – und sie waren in den letzten Jahren nicht untätig. Allein die Lobbyisten von Philipp Morris sollen sich im Vorfeld der parlamentarischen Abstimmung zur Tabakrichtlinie mit 233 Abgeordneten mindestens einmal getroffen haben. (red.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.08.2014)

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