„EU-Mitgliedschaft nicht im Zweifel“

A competitor takes part in the annual World Pipe Band Championships at Glasgow Green, Scotland
A competitor takes part in the annual World Pipe Band Championships at Glasgow Green, Scotland(c) REUTERS (RUSSELL CHEYNE)
  • Drucken

Ein neues Gutachten britischer Juristen ist Wasser auf den Mühlen der Unabhangigkeitsbefürworter. Doch so sicher ist Schottlands Verbleib in der EU nicht.

Wien. Bleibt Schottland nach seiner möglichen Abspaltung von Großbritannien Mitglied der Europäischen Union? Darüber sind sich Juristen uneinig – gibt es doch keinen Präzedenzfall dafür, was mit einem Land geschehen soll, das selbstständig werden möchte, aber seine Mitgliedschaft in der Europäischen Union behalten will. Auch die EU-Verträge regeln ein solches Szenario nicht klar.

Eine neue Untersuchung britischer Verfassungsexperten kommt nun zu dem Schluss, dass die schottische EU-Mitgliedschaft „nicht ernsthaft in Zweifel“ gezogen werde, sollte sich die Bevölkerung für die Unabhängigkeit entscheiden – und zwar selbst dann nicht, wenn das Land die Beitrittsbedingungen in den 18 Monaten zwischen dem Referendum am 18.September und der von der Regierung geplanten Unabhängigkeitserklärung im März 2016 nicht abgeschlossen hat. In diesem Fall werde wohl eine zeitlich begrenzte Vereinbarung dafür sorgen, dass weiterhin alle Rechte und Verpflichtungen, die sich aus den EU-Verträgen ergeben, auf Schottland anzuwenden seien, erklärten die Juristen. Das berichtet die Webseite „euobserver“.

Vertragsänderung nötig

Die Ergebnisse des Berichts sind Wasser auf den Mühlen der Unabhängigkeitsbefürworter. Zusätzlich macht die nationalistische Regierung in Edinburgh mit einer klaren Forderung an Brüssel Stimmung: einer EU-Vertragsänderung nach Artikel 48, die einen automatischen Verbleib in der Union ermöglichen soll. In diesem Fall müsste Schottland gar nicht erst um eine Neuaufnahme bitten – ein langwieriger Prozess, der sich sonst wohl nicht vermeiden ließe, wie auch der Innsbrucker Europarechtler Walter Obwexer erklärt. „Allein die völkerrechtlichen Grundsätze gebieten es, dass jeder neu gegründete Staat einen eigenen Antrag auf Mitgliedschaft stellen muss“, so der Experte.

Der Beitrittsprozess aber könnte sich komplizierter gestalten, als dies auf den ersten Blick den Anschein haben mag. Das Abkommen muss von allen 28 nationalen Parlamenten ratifiziert werden. Einige Mitgliedstaaten wie Spanien haben bereits Widerstand gegen ein unabhängiges Schottland angekündigt: Madrid fürchtet einen Präzedenzfall für Katalonien, das sich ebenfalls von der Regierung lösen will, und könnte den EU-Beitritt Schottlands allein deshalb über Jahre blockieren.

Auch Kommissionspräsident José Manuel Barroso hat Edinburgh bereits vor „extrem schwierigen, wenn nicht gar unmöglichen“ Beitrittsverhandlungen gewarnt. Eine Sonderbehandlung für den neu gegründeten Staat schloss der Portugiese aus. Aktivisten der Better-Together-Kampagne machen zudem darauf aufmerksam, dass ein unabhängiges Schottland seinen Anteil am berühmten „Briten-Rabatt“, den die Regierung des Vereinigten Königreichs in Brüssel erstritten hat und der jährlich drei Milliarden Euro ausmacht, verlieren würde. Auch die Agrarsubventionen würden gekürzt. (red.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.08.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.