Seehofer lenkt bei Maut ein: Kommt Korridor?

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Der Widerstand von CDU-regierten Bundesländern gegen die Pkw-Maut für Ausländer wird immer massiver. Nun kommt ihnen der CSU-Chef entgegen: Man werde die Einwände der Grenzregionen "prüfen".

Berlin. Wer deutscher Politiker ist und nicht zur CDU/CSU gehört, hat es zurzeit nicht schwer. SPD, Grüne und Linke lehnen sich im Sommertheater bequem zurück und beobachten schadenfroh, wie die ungeliebte Pkw-Maut für Ausländer durch den unionsinternen Beschuss immer heftiger ins Wanken gerät. Schon seit Tagen hagelt es in der CDU Kritik und von der CSU zornige Repliken. Die regionalen Granden aus Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Sachsen stellen sich offen gegen die Pläne der bayerischen Schwesterpartei. Nun hat auch noch die NRW-Landesgruppe im Bundestag, die stärkste CDU-Teilfraktion, das Konzept von Verkehrsminister Alexander Dobrindt einstimmig abgelehnt. Daraufhin lenkte CSU-Chef Seehofer am Donnerstag ein: „Selbstverständlich werden wir Einwände der Grenzregionen noch einmal prüfen“, sagte der bayerische Ministerpräsident der „Süddeutschen“. Selbstverständlich? Bisher hatte seine Partei jede Ausnahme kategorisch abgelehnt.

Angst vor Umsatzeinbruch

Der Hintergrund: Alle protestierenden Länder haben grenznahe Gebiete. Ihre Bewohner befürchten durch eine „Infrastrukturabgabe“ für alle Straßen massive wirtschaftliche Einbußen im kleinen Grenzverkehr. Die Holländer, Belgier oder Tschechen, vielerorts über die Hälfte aller Kunden, könnten plötzlich wegbleiben. Das Einkaufszentrum, der Tierpark oder das Freibad müssten ihre Pforten schließen. Mehr noch: Die Niederlande und Belgien, die bisher gar keine Straßenbenutzungsgebühren erheben, dürften zurückschlagen. So käme es dann doch zu einer Mehrbelastung für deutsche Autofahrer, die es laut Wahlversprechen und Arbeitsauftrag zu vermeiden galt. „Die ganze Grenzregion ist in Aufruhr“, berichtet Peter Hintze, Anführer der NRW-Rebellen.

Auch sie pochen nun, wie bisher die Bayern, auf den Koalitionsvertrag. Denn dort war nur von einer Autobahnmaut die Rede, nicht aber von einem Wegezoll für alle Straßen, also einer „Quasi-Eintrittsgebühr“ für Deutschland, die der „Nachbarschaftskultur schadet“. Mit ihrem öffentlichen Protest wollen die CDU-Länder verhindern, dass sich die drei Parteichefs der Großen Koalition in einer „Nacht der langen Messer“ auf eine Variante festlegen, die nicht paktiert wurde.

Gereizt und stur reagierte darauf bisher die CSU. Andreas Scheuer, als Generalsekretär der Mann fürs Grobe, beklagte die „tiefe Ahnungslosigkeit“ und das „peinliche Sommertheater“ in der Schwesterpartei. Er forderte ein „Machtwort“ von Angela Merkel. Zumindest offiziell ist es dazu nicht gekommen. In einem Interview vor einigen Tagen hatte die Kanzlerin noch eine „muntere Diskussion“ über das heikle Thema erwartet.

Wie aber könnte ein Kompromiss für die Grenzregionen aussehen? Zur Diskussion steht ein „Korridor“ von 50 Kilometern, in dem keine Maut erhoben wird. Damit wäre dann auch das Große Deutsche Eck zwischen Salzburg und Tirol von Gebühren „befreit“. Eine solche Ausnahme würde freilich die Kontrolle der Vignettenpflicht noch weniger praktikabel machen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.08.2014)

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