EU-Gipfel: Hoffnung auf aktivere EU-Politik

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Der künftige Ratspräsident Tusk und die EU-Außenbeauftragte Mogherini werden sich mehr in das politische Geschehen einmischen als ihre Vorgänger das taten.

Brüssel. Gleich zu Beginn seiner Pressekonferenz als frisch ernannter Ratspräsident war der polnische Premier, Donald Tusk, zum Scherzen aufgelegt – und nahm Fragen nach seiner wohl größten Schwäche für den neuen Job vorweg: „Ich werde mein Englisch aufpolieren. Zu meinem Amtsantritt am 1.Dezember bin ich zu 100 Prozent startklar“, beteuerte er – diesmal noch in seiner Muttersprache. Damit brachte der 57-Jährige nicht nur die zeitgleich gewählte neue EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini zum Schmunzeln, sondern den gesamten großen Pressesaal im Brüsseler Ratsgebäude. Überhaupt war das Bild, das sich den Journalisten beim Sondergipfel an diesem Samstagabend bot, ganz anders als jenes vor fünf Jahren: Damals wurden der Öffentlichkeit Herman Van Rompuy und Catherine Ashton als das neue EU-Führungsduo präsentiert, optisch eher blasse Persönlichkeiten, die in der Folge zwar oft mit diplomatischem Geschick, weniger aber mit eigenen Ideen und Einfallsreichtum das politische Geschehen in Europa beeinflussen sollten.

Bekenntnis zu Großbritannien

Das dürfte sich nun ändern. Tusk ist seit seiner Studienzeit, als er sich der antikommunistischen Gewerkschaftsbewegung Solidarność anschloss, politisch aktiv und gilt als harter Verhandler. Er ist davon überzeugt, dass es zu dem Projekt eines Vereinigten Europa keine „kluge Alternative“ gibt – wenngleich der Liberale, dessen Bürgerplattform der Europäischen Volkspartei (EVP) angehört, gleichzeitig auch britischen Interessen nach einer Neuverhandlung der EU-Zuständigkeiten entgegenkommen will. „Eine Union ohne Großbritannien kann und will ich mir nicht vorstellen“, sagte er bestimmt. Zudem sieht Tusk in seiner neuen Position eine „große Chance, osteuropäische Energie in der EU einzubringen“ – und meint damit natürlich nicht zuletzt den Umgang mit Russland im Ukraine-Konflikt.

Hier bildet Mogherini einen klaren Gegenpol: Schon im Vorfeld war der 41-Jährigen besonders von den baltischen Staaten vorgeworfen worden, als italienische Außenministerin zu „moskaufreundlich“ für den Job als Hohe Repräsentantin der EU zu sein. Derlei Argumente aber lächelte sie Samstagabend einfach weg – und kokettierte mit ihrem Alter, das ihr manch Kritiker als Unerfahrenheit ausgelegt hatte: „Der italienische Premier, Matteo Renzi, ist jünger als ich.“ Mogherini, die Parteifreunde als „rigoros“ bezeichnen, will die „Energie einer neuen Generation in Europa im Einsatz für Dialog und Kompromisse positiv nützen“.

Zu dieser „neuen Generation“ in der EU-Führung gehört der künftige Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker zwar nur indirekt – er war bereits lange Jahre Vorsitzender der Euro-Gruppe. Doch wie Tusk und Mogherini überstrahlt auch Juncker seinen Amtsvorgänger – den Portugiesen José Manuel Barroso – in Charisma und dem Drang, sich aktiver in das aktuelle politische Geschehen einzumischen, das bisher die Staats- und Regierungschefs dominiert hatten. Der Luxemburger soll sein Kommissionsteam in den kommenden zwei Wochen vorstellen. Eine Personalentscheidung dürfte trotz anfänglicher deutscher Bedenken bereits fix sein: Der französische Ex-Finanzminister Pierre Moscovici wird Wirtschafts- und Währungskommissar. Zwar will Juncker dem Sozialisten laut „Spiegel“ einen haushaltspolitischen Hardliner aus dem Norden als Aufpasser überordnen. Doch scheint es in Brüssel auch unter konservativen Entscheidungsträgern einen Konsens darüber zu geben, dass Sparen ohne Wachstumsinitiativen die Krise in den südeuropäischen Schuldenländer nicht zur Genüge eindämmen könne. Die Ausrichtung der Wirtschaftspolitik der EU soll nun bei einem Gipfel für Wachstum und Jobs am 7. Oktober in Rom erörtert werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.09.2014)

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