Mangels neuer Regierung versäumte Belgien bisher die Nennung eines EU-Kommissars. Unter den Parteien wird noch heftig gerungen. Wird es Didier Reynders oder Junckers Wunschkandidatin Thyssen?
Den Haag/Brüssel. Fast alle 28 EU-Mitgliedsländer haben inzwischen ihre Kandidaten nominiert. Nur eines noch nicht: Belgien. Daher stellte der neue Kommissionspräsident, Jean-Claude Juncker, der belgischen Regierung nun ein Ultimatum. Innerhalb der nächsten drei Tage muss auch Belgien die Frau oder den Mann benennen, der das Königreich der Flamen und Wallonen künftig in der Juncker-Kommission als EU-Kommissar vertreten soll. Sonst drohe der gesamten Prozedur eine Verzögerung.
Die Lage in Belgien ist kompliziert. Das Land hat nach den Parlamentswahlen vom 25. Mai immer noch keine neue Regierung. Die von König Philippe mit der Regierungsbildung beauftragten „Formateure“, der Flame Kris Peeters und der Wallone Charles Michel, müssen nun zusammen mit den Vorsitzenden der Parteien jemanden aussuchen, der Belgien in der EU-Kommission vertritt. Vier Namen machen die Runde: der der flämischen Christdemokratin Marianne Thyssen (CD&V), des wallonischen Liberalen und bisherigen Außenministers Didier Reynders (MR), des flämischen Liberalen und bisherigen EU-Kommissars Karel De Gucht (Open VLD) sowie des Open-VLD-Vorsitzenden Gwendolyn Rutten.
In Brüssel verlautet, Juncker würde gerne Marianne Thyssen in seinem Team sehen. Ihr Vorteil: Sie ist eine Frau, und sie gehört der gleichen politischen Familie, den Christdemokraten, an wie der Luxemburger selbst. Ob Frau Thyssen aber das Juncker-Team als EU-Kommissarin verstärken kann, ist mehr als fraglich. Denn die vier Parteien, die in Belgien künftig eine neue Regierung stellen wollen, flämische und wallonische Liberale, die flämisch-nationalistische N-VA sowie die flämischen Christdemokaten, haben sich eigentlich schon so gut wie darauf verständigt, dass der flämische Christdemokrat Kris Peeters neuer belgischer Premierminister werden soll.
Niederlande stellt Bedingung
Zwei Spitzenposten aber für die im politischen Machtspektrum relativ kleine flämische CD&V, das ist wohl einer zu viel, heißt es in Brüssel. Möglicherweise werde der liberale Wallone Didier Reynders mit dem Posten des EU-Kommissars belohnt.
In den Niederlanden dagegen vollzieht sich gerade eine rasante Wende im Personenkarussell für den Job des EU-Kommissars. Die Haager Regierung hat nun den amtierenden sozialdemokratischen Außenminister, Frans Timmermans, dafür nominiert. Sie stellt allerdings Bedingungen an dessen Kandidatur. Timmermans muss einer der Vize-Präsidenten der EU-Kommission werden, und er muss einen wichtigen Kommissionsposten bekommen, beispielsweise Wirtschaft. Sollte Juncker diese Bedingungen und damit Timmermans ablehnen, dann solle die niederländische Außenhandelsministerin Lilliane Ploumen Holland in Brüssel bei der EU-Kommission vertreten.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.09.2014)