TTIP: US-Abkommen droht am Investitionsschutz zu scheitern

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Die Einsetzung von Schiedsgerichten für Investoren ist nach Ansicht der Wirtschaft unumgänglich, für die Politik aber kaum noch realisierbar.

Wien. Das ehrgeizige Projekt eines Freihandelsabkommens zwischen der EU und den USA (TTIP) wird nicht an der Zulassung von amerikanischem Hormonfleisch oder Chlorhühnern scheitern. In beiden Fragen gibt es für die EU-Verhandler keine andere Option als ein Nein und ihr Gegenüber aus den USA dürften das letztlich auch akzeptieren, heißt es von Vertreter der EU-Kommission. Die viel größere Hürde wird der Investitionsschutz und die mit ihm verbundene Einsetzung von außerstaatlichen Schiedsgerichten sein. Deutschlands Regierung hat in dieser Frage bereits ein Veto angekündigt, weitere Länder – darunter Österreich – dürften folgen und auch im Europaparlament ist dafür keine Zustimmung in Aussicht.

Der Proteststurm wächst. Ab September wird eine europäische Bürgerinitiative um Unterstützung werben. 168 Organisationen wollen sich daran beteiligen – von Globalisierungskritikern über Umweltschutz- bis zu Künstlergruppen. Ein Kernpunkt ihrer Kritik ist die vorgesehene Schutzklausel für Investoren, die es freilich schon heute in hunderten Freihandelsabkommen gibt. Was TTIP-Gegner als die „systematische Umgehung“ von Demokratie und Rechtsstaat durch Konzerne bezeichnen, stellt für international agierende Unternehmen einen gangbaren Weg zum Schutz ihrer Investitionen dar.

Die Fronten haben sich in den vergangenen Monaten verhärtet. Denn auch Vertreter europäischer Konzerne – darunter Siemens, DHL oder Deutsche Telekom – haben bei einem Treffen mit zuständigen Beamten der EU-Kommission ihre Haltung bekräftigt, dass sie sich „jeglicher Einigung widersetzen werden“, in der es keinen ausreichenden Investorenschutz gebe. Auch die amerikanische Chamber of Commerce, die in Brüssel für das Abkommen Lobbying betreibt, sieht keinen Sinn in einem Vertrag, der ohne solche Garantien auskommt.

Große Industrie- und Dienstleistungsbetriebe bestehen auf einen Schutz, der ihnen den Wert ihrer Investitionen garantiert. Europäische Konzerne verweisen beispielsweise darauf, dass es in den USA keine rechtliche Garantie dafür gebe, dass Anbieter aus anderen Ländern nicht diskriminiert werden. Die Schiedsgerichte seien der einzige Weg, sich gegen unfaire Bedingungen zu schützen. Umgekehrt sehen US-Unternehmen die Gefahr, dass ihre Investitionen durch immer neue nationale Umweltgesetze in Europa wertlos werden könnten.

Warum aber Schiedsgerichte? Verfügen nicht die USA und alle EU-Staaten über eine einigermaßen verlässliche Rechtsprechung? Nationale Gerichte sind in erster Linie den nationalen Gesetzen verpflichtet und müssten diese naturgemäß verteidigen. Nur ein außerstaatliches Schiedsgericht könnte zwischen dem Unternehmen und seinem Gastland unabhängig vermitteln oder entscheiden, behaupten die Anhänger dieser Form der Klagemöglichkeit.

Kritiker sehen allerdings die Gefahr, dass große Konzerne aus den USA über diesen Weg die Rechtsetzung in der EU nachhaltig beeinflussen. Weltweit steigt schon jetzt die Zahl an solchen Schiedsverfahren, die von rund 20 großen Rechtsanwaltskanzleien abgewickelt werden. Allein im Jahr 2013 wurden laut einem Bericht der Handelsbehörde der Vereinten Nationen (UNCTAD) 57 Klagen von großen internationalen Investoren eingebracht – 24 davon gegen EU-Staaten. Grund sind oft Änderungen von Gesetzen oder Diskriminierungen durch Behörden.

Klage gegen den Atomausstieg

Einer der spektakulärsten Fälle in der Vergangenheit war die Klage des schwedischen Energiekonzerns Vattenfall gegen Deutschland. Der Betreiber der stillgelegten Atommeiler Brunsbüttel und Krümmel klagte gegen den von der Bundesregierung beschlossenen Atomausstieg, weil er dadurch seine Investitionen abschreiben müsste. Ähnlich gelagert war die Klage des Bergbaukonzerns Lone Pine gegen Kanada, weil dessen Regierung auf Grund ökologischer Bedenken ein Moratorium gegen Fracking erlassen hatte. Die Klagesumme beträgt stattliche 250 Millionen Dollar (189 Mio. €).

Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) will ausschließen, dass US-Unternehmen durch TTIP eine Klagemöglichkeit gegen gesetzliche Verbesserungen im Umwelt- und Sozialbereich in Österreich erhalten. Ähnliche Argumente kamen auch von der deutschen Regierung. Deren Wirtschaftsminister, Sigmar Gabriel, will deshalb auch nicht mehr ausschließen, dass er sich letztlich gegen das Abkommen stellt.

Angesichts des sich abzeichnenden Widerstands hat die EU-Kommission die Verhandlungen über den Investitionsschutz bereits Anfang des Jahres ausgesetzt. Sie hat zu einer öffentlichen Konsultation aufgerufen. Befürworter wie Kritiker konnten ihre Stellungnahmen einbringen, die nun bis November geprüft werden sollen. Allein die Beteiligung zeigt die Sensibilität des Themas. Es wurden 149.399 Stellungnahmen in Brüssel registriert.

AUF EINEN BLICK

Investitionsschutz. Das Freihandelsabkommen mit den USA soll Schutzbestimmungen für Investoren umfassen. Vorgesehen ist dabei auch die Einsetzung von außerstaatlichen Schiedsgerichten. Große Investoren sollen die Möglichkeit erhalten, gegen Staaten zu klagen, die den Wert ihrer Investitionen durch neue Gesetze oder durch diskriminierende Entscheidungen ihrer Behörden reduzieren. Diese Form des Investitionsschutzes, den es bereits in hunderten Freihandelsabkommen gibt, wird von immer mehr politischen Gruppen abgelehnt. Die Vertreter der großen Industrie- und Dienstleistungskonzerne in Europa und den USA bestehen allerdings darauf.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.09.2014)

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