EU-Kommission hält Pläne für einheitliche Maut zurück

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PKW-Maut(c) APA/dpa-Zentralbild
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Deutsche und österreichische Politiker sprechen sich für gemeinsame europäische Mautregeln aus.

Brüssel. Seit vergangenem Jahr ist der Richtlinienentwurf der EU-Kommission für eine einheitliche Maut auf allen europäischen Straßen ausgearbeitet. Aber bisher sei er nicht an das Europaparlament weitergeleitet worden, kritisieren Abgeordnete aus insgesamt fünf EU-Ländern in einer gemeinsamen Aussendung, darunter die österreichische Europaabgeordnete Claudia Schmidt (ÖVP). Der Kommissionsentwurf umfasst die Vereinheitlichung nationaler Mautsysteme sowie eine exakte Zweckbindung für den Ausbau und die Instandsetzung der Verkehrsinfrastruktur. Außerdem enthält er Vorschläge, wie die Maut gerechter als das derzeit praktizierte System nationaler Vignetten gestaltet werden könnte. So sollen die tatsächlichen Verursacher entsprechend ihrer Straßennutzung zur Kassa gebeten werden, etwa in Form einer kilometerabhängigen Abrechnung. Warum der Richtlinienentwurf zurückgehalten wurde, ist nicht bekannt. Möglicherweise, weil es generellen Widerstand gegen neue EU-Regeln in einzelnen Mitgliedstaaten gibt.

Bisher wurde nur die Wegekostenrichtlinie in der EU umgesetzt, die regelt, welche Kosten in die Berechnung einer nationalen Maut einfließen dürfen und welche nicht.

Oettinger für EU-weite Lösung

In der EU-Kommission haben sich hochrangige Mitglieder wie der deutsche Günther Oettinger bereits für ein einheitliches Mautsystem ausgesprochen. Auch aus Berlin kam zuletzt ein solcher Vorstoß. Der Fraktionschef der Unionsparteien im Bundestag, Volker Kauder, sprach sich für ein einheitliches Mautsystem auf allen europäischen Straßen aus.

Anlass für die neue Mautdebatte sind die Differenzen um die von der bayerischen CSU geforderte Pkw-Maut für Ausländer auf allen deutschen Straßen. Nachdem Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) erste Vorschläge vorgelegt hat, wird in der deutschen Bundesregierung heftig über deren Sinnhaftigkeit und die Vereinbarkeit mit EU-Recht gestritten. Die Front läuft auch quer durch die Regierung und durch CDU und CSU. So hat Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) offen gegen den Vorschlag des Verkehrsministers Stellung bezogen.

Kritik an den Plänen kommt seit Monaten zudem aus Österreich. Europaabgeordnete Schmidt sieht Berlin auf Abwegen: Die Mobilität dürfe in der EU nicht behindert werden. „Als weltweit führende Exportnation ist Deutschland angewiesen, seine Waren über Transitländer an die Abnehmer in aller Welt zu transportieren. Dass gerade Deutschland nun versucht, die Bürger der anderen Mitgliedstaaten abzukassieren, ist ein wenig durchdachtes Spiel mit dem Feuer. Ein Feuer, das sich schnell auf andere Bereiche in anderen Mitgliedstaaten ausdehnen kann.“

Eine Maut, die von ausländischen Autofahrern eingehoben wird und die einheimischen Fahrern refundiert wird, widerspricht dem Diskriminierungsverbot in der EU. Mehrere Rechtsgutachten haben dies bereits deutlich gemacht. Nun soll auch das deutsche Wirtschaftsministerium ein kritisches Gutachten erarbeitet haben. Laut Medienberichten hält Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) die sogenannte Leitungsvorlage zurück. Er wolle nach Angaben von Regierungskreisen den Streit um die Mautpläne von Verkehrsminister Dobrindt nicht noch weiter anheizen. In der Arbeitsgruppe Wirtschaft der CDU/CSU-Fraktion ist zuletzt ebenfalls Kritik laut geworden. Ebenso wie Finanzminister Schäuble ortet die Arbeitsgruppe zu viel Bürokratie und zu wenig Einnahmen durch die neue Maut. CSU-Vorsitzender Horst Seehofer hat im Gegenzug Schäuble vorgeworfen, die im Koalitionsvertrag verankerte Maut sabotieren zu wollen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat angesichts der immer heftigeren Debatte in den eigenen Parteikreisen zur Zurückhaltung aller Beteiligten aufgerufen. Es müsse versucht werden, das Problem „in aller Freundschaft und Kameradschaft“ zu lösen, forderte sie. (ag., wb)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.09.2014)

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