Geld für Aufschwung gesucht

BELGIUM EU ECOFIN FINANCE MINISTERS MEETING
BELGIUM EU ECOFIN FINANCE MINISTERS MEETING(c) APA/EPA/OLIVIER HOSLET (OLIVIER HOSLET)
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Die Revitalisierung der Infrastruktur in der EU soll der europäischen Konjunktur einen Schub verpassen. Woher die dafür benötigten Mittel kommen sollen, ist allerdings noch offen.

Brüssel. „Der Bröckelstaat“ – das ist der Befund, den „Der Spiegel“ in seiner aktuellen Ausgabe Deutschland ausstellt. Die Infrastruktur der größten Wirtschaftsmacht der EU müsse schleunigst auf Vordermann gebracht werden, sonst sei die Konjunktur längerfristig in Gefahr, so das Fazit des Magazins.

Das Thema Infrastruktur wird nicht nur in Deutschland diskutiert, auch in Brüssel wird dieser Tage viel darüber nachgedacht, wie sich das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden ließe. Mit Investitionen in die vernachlässigte öffentliche Infrastruktur in Europa soll die stotternde Konjunktur in der Union angekurbelt werden – und das im Idealfall ohne ausufernde Neuverschuldung. Die Zeit drängt: Nach Berechnungen des Berliner Wirtschaftsforschungsinstituts DIW sind die Bauinvestitionen in der Eurozone seit dem Ausbruch der Finanzkrise 2008 um drei BIP-Prozentpunkte gesunken und betragen derzeit rund zehn Prozent des BIPs – Tendenz weiter sinkend. In den USA hingegen hat die Erholung bei den Investitionen bereits 2011 eingesetzt.

Wie die Trendumkehr bewerkstelligt werden soll, darüber scheiden sich die Geister. Ein Konzept werden die in Mailand versammelten EU-Finanzminister am Samstag zu Gesicht bekommen. Es stammt aus der Feder des polnischen Ressortchefs Mateusz Szczurek und sieht – analog zum Rettungsschirm ESM – die Schaffung eines 700 Mrd. Euro schweren Investitionsfonds vor, der mit Beiträgen der EU-Mitglieder gespeist wird. Starten soll der Fonds im kommenden Jahr mit einem Stammkapital von 60 Mrd. Euro, und investieren soll er in Infrastrukturprojekte in jenen Ländern, deren Wirtschaft suboptimal läuft – etwa in Südeuropa.

Auch Jean-Claude Juncker hegt ähnliche Ideen. Wie er es dem EU-Parlament versprochen hat, will der neue EU-Kommissionspräsident im Jänner seinen Wachstumsplan vorlegen. Er soll auf drei Jahre ausgelegt sein, rund 300 Mrd. Euro umfassen und Investitionen in Stromnetze, Breitbandverbindungen und Verkehrsadern enthalten. Flankiert wird er dabei von der IWF-Chefin Christine Lagarde und dem Gouverneur der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi, die beide ebenfalls mehr Investitionen in Europa fordern.

Gedanken über die europäische Investitionslücke haben sich auch der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble und sein französischer Counterpart Michel Sapin gemacht. In einem Brief an ihre Kollegen, der der Nachrichtenagentur Reuters vorliegt, schlagen die beiden die Finanzierung von EU-Infrastrukturprojekten über sogenannte Projektbonds – es geht darum, private Geldgeber (etwa Pensionsfonds) einzubeziehen, um die Belastung für die öffentlichen Haushalte möglichst gering zu halten. Nach den Vorstellungen von Schäuble und Sapin soll auch die Europäische Investitionsbank EIB einen Beitrag leisten.

Kein breitflächiger Bedarf

Beim DIW hält man wenig davon, die Investitionslücke in Europa nur mit öffentlichen Mitteln zu schließen, sagt Ferdinand Fichtner, Leiter der Abteilung Konjunkturpolitik, gegenüber der „Presse“. Stattdessen sollte sich die EU in erster Linie Hilfe zur Selbsthilfe leisten – also sich darum bemühen, die Finanzierung der Klein- und Mittelbetriebe zu erleichtern, etwa durch den Einsatz öffentlich besicherter Fonds. Einen breitflächigen Bedarf für Investitionen in die EU-Infrastruktur ortet Fichtner nicht – „wobei es in Deutschland diesbezüglich durchaus ein Problem gibt“. [ APA ]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.09.2014)

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