Eurojust: Drogenbekämpfung beim Plaudern in der Pause

Organisierte Kriminalität. In Den Haag bemühen sich Staatsanwälte aus allen EU-Staaten, den Kampf gegen internationale Banden zu koordinieren.

Wien/Den Haag. Am Morgen des 1.September holte die Polizei zeitgleich in fünf EU-Ländern zu einem Schlag gegen den Handel mit gefälschten Potenzmitteln aus: Bei einer Razzia in Österreich, Belgien, Großbritannien, Ungarn und Zypern nahmen die Behörden zwölf Verdächtige fest, beschlagnahmten Millionen Tabletten im Wert von mehr als zehn Mio. Euro sowie haufenweise Bargeld und einige Luxusautos; und sie froren rund 7,5Mio. Euro auf verdächtigen Konten ein. Dass die Strafverfolgungsbehörden bei den Ermittlungen und beim Zugriff zusammenarbeiteten, ging nicht zuletzt auf eine von der EU 2002 eingerichtete Organisation in Den Haag zurück: Eurojust.

Dort arbeiten Staatsanwälte aus den 28 Mitgliedsländern zusammen, um das Vorgehen der nationalen Behörden gegen die internationale organisierte Kriminalität zu koordinieren. 1576 neue länderübergreifende Fälle – von Cybercrime über Drogenkriminalität, Geldwäsche oder Korruption bis zum Terrorismus – beschäftigten allein im Jahr 2013 diese EU-Stelle.

Überdurchschnittlich viel Arbeit kommt aus Österreich auf Eurojust zu: Bei den heuer bis September eingetroffenen Ersuchen führte das 15.-größte EU-Land die Statistik sogar an. Das mag zum Teil darauf zurückzuführen sein, dass Österreichs Vertreterin bei Eurojust, Ingrid Maschl-Clausen, von den Staatsanwälten daheim als die Person erlebt wird, die knifflige Probleme mit dem Ausland löst. Auch die geografische Lage Österreichs nahe dem Balkan dürfte zum Spitzenrang beitragen.

So hat die Staatsanwaltschaft Wien 2010 einen großen Drogenfall nach Den Haag gebracht: Hochprozentiges Heroin war aus Mazedonien nach Österreich gekommen, wo Dealer mit Dumpingpreisen in kürzester Zeit den Markt eroberten. Das Gleiche spielte sich in Frankfurt ab. Weil jeder verhaftete Händler in im Nu durch einen anderen ersetzt wurde, wollte die Staatsanwaltschaft unbedingt an die Köpfe der Bande in Mazedonien herankommen; als Nicht-EU-Bürger waren diese aber unerreichbar. Die dortigen Behörden aber waren nicht geneigt, ein Verfahren einzuleiten. Erst bei einem Koordinierungstreffen, zu dem Eurojust nach Den Haag einlud, konnten Österreicher und Deutsche – auch mithilfe von Simultandolmetschern – die Mazedonier für den Fall interessieren. Prompt folgten Festnahmen und Verurteilungen in Mazedonien. Als dann, nach einem Dreivierteljahr Unterbrechung des Drogennachschubs, das Spiel von vorn anfing, musste wieder ein Koordinierungstreffen her: Diesmal konnte ein Weg gefunden werden, Telefonüberwachungen auf kurzem Weg so zu organisieren, dass die Dealer nicht mehr mit dem Austausch der SIM-Karten schneller waren.

Drogenbunker geknackt

Bei einem dritten Treffen in Den Haag ging es schließlich darum, Drogenbunker der Bande in Rotterdam zu knacken. In den Niederlanden gilt bei Drogendelikten das Opportunitätsprinzip, das die Staatsanwaltschaft nicht zum Handeln zwingt. Beim Plaudern in einer Pause wurde dann die Idee geboren, eine gemeinsame Ermittlungsgruppe zu bilden (Joint Investigation Team – Jit), die dem Fall auch für die Niederländer die nötige Priorität verlieh.

Die grenzüberschreitende Strafverfolgung ist noch verbesserungsfähig. „Die Zusammenarbeit wurde vereinfacht, aber wir sind noch weit davon entfernt, einen Zustand erreicht zu haben, der perfekt wäre“, sagt Maschl-Clausen. Ein wichtiges Anliegen von Eurojust ist es deshalb, Erfahrungen zu sammeln und für die nächsten Fälle parat zu haben. Das österreichische Bankgeheimnis gab Eurojust auch schon einiges zu lösen auf: Weil Kontoöffnungen hier einen Gerichtsbeschluss erfordern, wie es ihn im Ausland meist gar nicht gibt, behilft man sich mit einer Bestätigung des anfragenden Staats, dass aus dortiger Sicht der Antrag rechtens ist. Die Abfrage hier dauert dann, samt Übersetzungen und Rundfrage bei allen Banken, noch lang genug.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.09.2014)

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