EU-Schuldenkrise: Griechenland will sich für gesund erklären

Greece´s Prime Minister Samaras addresses lawmakers  before a confidence vote for the country´s coalition government in Athens
Greece´s Prime Minister Samaras addresses lawmakers before a confidence vote for the country´s coalition government in Athens(c) REUTERS (YORGOS KARAHALIS)
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Regierungschef Antonis Samaras peilt einen vorzeitigen Ausstieg seines Landes aus dem internationalen Hilfsprogramm an – der Internationale Währungsfonds ist skeptisch.

Brüssel. Gemeinhin läuft die Rettung überschuldeter Staaten nach demselben Muster wie die Versorgung von Unfallopfern ab: Auf lebenserhaltende Maßnahmen folgt ein Aufenthalt auf der Intensivstation, dann die stationäre Genesungsphase und zu guter Letzt die Entlassung des Patienten in die Rehabilitation. Der Fall Griechenland stellt in dieser Hinsicht eine Ausnahme dar – denn während Athen in Richtung Spitalsausgang strebt, versuchen die behandelnden Ärzte nach Kräften, den griechischen Patienten im Bett zu halten.

Seit Griechenland im Jahr 2010 beinahe unter der Last seiner Schulden zusammengebrochen ist, wurde es von den internationalen Sanitätern mit insgesamt 240 Mrd. Euro aufgepäppelt – im Gegenzug musste Athen seinen Helfern (EU, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds) eine Schlankheitskur versprechen. An der vom Beinahekollaps ausgelösten Depression leiden Land und Bevölkerung zwar nach wie vor, doch immerhin zeichnet sich für das laufende Jahr ein schwaches Wirtschaftswachstum ab. Und auch die chronischen Defizite hat die Regierung von Premier Antonis Samaras einigermaßen im Griff, obwohl die Staatsverschuldung in der Zwischenzeit auf 170 Prozent der Wirtschaftsleistung geklettert ist – Höchststand in der Eurozone.

Dass Premier Samaras nun das Ende der Krise ausruft und die Troika der Geldgeber am liebsten aus Athen komplimentieren möchte, hat drei Ursachen: erstens, um sich politisch freizuspielen. Denn im Gegenzug für die Hilfsgelder musste die Regierung unliebsame Reformen versprechen. Diese Reformen wiederum – und das ist der zweite Grund für die Eile – waren Wasser auf die Mühlen der linkspopulistischen Partei Syriza von Alexis Tsipras, die seit geraumer Zeit alle Umfragen anführt. Der dritte Grund sind die momentan günstigen Finanzierungsbedingungen – die Zinsaufschläge für griechische Staatsanleihen sind vergleichsweise gering.

Zinsen steigen wieder

Doch diese niedrigen Zinsen sind nicht in Stein gemeißelt, wie die Ereignisse der vergangenen Tage aufzeigen: Seit die Sorgen um das konjunkturelle Wohlbefinden der Eurozone international wieder zugenommen haben, geht es auch mit den griechischen Zinsen bergauf – für Anleihen mit einer Laufzeit von zehn Jahren musste Athen zuletzt rund 7,2 Prozent Zinsen berappen. Zum Vergleich: Deutschland muss lediglich knapp 0,9 Prozent Zinsen bieten. Kein Wunder also, dass IWF-Chefin Christine Lagarde die griechische Regierung zur Vorsicht ermahnt: Athen sei gut beraten, sich nicht gänzlich abzunabeln, sondern für den Fall des Falles mit dem Währungsfonds Kreditlinien zu vereinbaren. Auch der österreichische Finanzminister, Hans Jörg Schelling, sieht ein verfrühtes Ausscheiden Griechenlands aus dem Hilfsprogramm „mit einiger Skepsis“.

Premier Samaras will Griechenland bereits im Dezember für gesund erklären – 15 Monate vor dem offiziellen Auslaufen des Hilfsprogramms. (ag./la)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.10.2014)

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