Krumme Gurke? Proteste gegen Lockerung der EU-Normen

(c) EPA (Michael Reynolds)
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Staaten lehnen den Plan der Kommission ab, EU-Normen über die Krümmung von Gemüse abzuschaffen.

BRÜSSEL (pö/APA/DPA). Da will die EU einmal nicht kompliziert sein, und dann machen es ihr die Mitgliedstaaten schwer: „Viel zu bürokratisch“, geradezu „überreguliert“, so lautet häufig der Vorwurf aus den EU-Hauptstädten. Ausgerechnet bei dem einen absonderlichen Detail, das zum Symbol für die Regelwut der EU-Kommission wurde, wollen die Ländervertreter in Brüssel jetzt aber offenbar, dass alles so bleibt wie es ist: bei der Krümmung der Gurke.

Die Kommission legt für die Gurke einen maximalen Krümmungsgrad fest. Ist sie zu stark gekrümmt, dann kann sie schlecht verladen und quer durch Europa oder auch ins Ausland transportiert werden. Darunter würde der Handel leiden, glaubt man in den Mitgliedstaaten. Besonders krumme Gurken wandern deshalb, kaum dass sie von den Feldern geholt wurden, direkt in den Müll. Außerdem „isst“ auch das Auge der Konsumentinnen und Konsumenten innerhalb und außerhalb der EU mit. So lautet offenbar die Haltung in den 27 EU-Ländern.

Dabei wäre die dänische EU-Landwirtschaftskommissarin Mariann Fischer Boel, die selbst von einem Bauernhof kommt und die Sorgen der Landwirtschaft somit aus erster Hand kennt, durchaus willig gewesen, bei den EU-Normen für die Gurke – und anderes Gemüse – zurückzustecken: Die Gurke solle sich künftig krümmen dürfen, so stark sie will. Brüssel werde das nicht mehr scheren, so lautete der Vorschlag aus der Brutstätte des EU-Rechts.

Keine Chance für „Kochgurken“

Der Entwurf hätte aber – wie alle EU-Rechtsakte – noch von den Mitgliedsländern abgesegnet werden müssen. Die Staaten dürfen auch Nein zu Vorschlägen aus Brüssel sagen – und taten es in diesem Fall. „Überraschenderweise“, wunderte sich der oberste Kommissionssprecher Johannes Laitenberger diese Woche.

Auch ein Etikett, das besonders stark gekrümmte Gurken als „Kochgurken“ ausgewiesen hätte, wollen die Länder zumindest vorerst nicht. Das wäre nämlich Teil des EU-Plans gewesen, der die Gurke ansonsten Gurke hätte sein lassen, ganz ohne EU-Normen.

Durch dermaßen „legitimierte“ Kochgurken hätte man verhindert, dass wertvolle Lebensmittel einfach weggeschmissen werden, glaubt man in Brüssel. Die Nahrungsmittelpreise in der EU sind nämlich bereits empfindlich gestiegen, und der Trend werde sich fortsetzen, vermuten die Experten der EU-Kommission. Die hohen Preise werden aufgrund ihrer Publikumswirksamkeit auch Thema beim EU-Gipfel der Regierungschefs heute, Donnerstag, in Brüssel sein. Nur die arme Gurke nicht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.06.2008)

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