Analyse: Reformvertrag: Lager der Nein-Sager schrumpft

Italien ratifiziert als 22. EU-Staat den Lissabonner Vertrag. Dadurch steigt der Druck auf Irland.

ROM/DUBLIN (do). Das Lager der Nein-Sager zum neuen EU-Vertrag wird immer kleiner – und dennoch wird die Situation dadurch nicht einfacher. Mit der Ratifizierung des Lissabonner EU-Vertrags durch Italien stimmte am Donnerstag das 22. Mitgliedsland von 27 der neuen Rechtsgrundlage der Union zu. In Schweden und Tschechien hat sich das Parlament noch nicht geäußert, in Polen und Deutschland fehlt die Unterschrift des Staatsoberhauptes.

Während sich die Befürworter des EU-Vertrags freuen, dass ihre Front immer breiter wird, erhöht das gleichzeitig den Druck auf Irland. Die irische Bevölkerung hat den Vertrag am 12. Juni in einer Volksabstimmung mit klarer Mehrheit abgelehnt. Je mehr Mitgliedsländer den Lissabonner Vertrag nun absegnen, umso größer wird der Druck auf Dublin, einen Weg zu finden, wie ihn auch Irland akzeptieren könnte.

Wie das gehen soll, will die irische Regierung voraussichtlich erst beim Dezember-Gipfel, dem Abschluss der französischen EU-Präsidentschaft, skizzieren. Dabei gilt es, auf einem schmalen Grat zu wandern. Denn Umfragen zeigen, dass die Zahl der irischen Vertragsgegner seit dem 12. Juni weiter gewachsen ist: von 53 auf 62 Prozent. Daher herrscht in Dublin Skepsis, ob die ursprünglich als praktikabelste Lösung angesehene zweite Volksabstimmung wirklich eine gute Idee ist oder ob die Iren – trotz eventueller Zugeständnisse seitens der Partnerstaaten – wieder Nein sagen würden.

Ausweg bis Jahresende?

Diese Zugeständnisse müssten sich außerdem auf die Form von Erklärungen beschränken. EU-Vorsitzender Frankreich betont nämlich, dass der Lissabonner Vertrag nicht noch einmal aufgeschnürt oder so abgeändert werden darf, dass er in allen Mitgliedsländern nochmals ratifiziert werden müsste. Gleichzeitig gibt es Konsens, dass der EU-Vertrag im Idealfall von allen 27 Mitgliedsländern mitgetragen werden sollte.

Frankreich bleibt die Hoffnung, dass unter seinem Vorsitz der Ausweg aus der jüngsten Institutionenkrise wenigstens skizziert werden kann. Umgesetzt wird jede Lösung wohl erst unter tschechischem Vorsitz. Für die Befürworter des EU-Vertrags ist das kein besonders gutes Vorzeichen – zählt Tschechiens Präsident Václav Klaus doch zu den dezidierten Gegnern des Lissabonner Vertrags.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.08.2008)

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