Drogen-Transit: Heißer Stoff auf krummen Wegen

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Die Drogen-Mafia findet immer neue Wege, ihre Ware in die EU zu schmuggeln: Koks kommt über die Sahara, Heroin über die Seidenstraße. Nur selten werden Fahnder fündig.

Brüssel. Die Fischer aus dem Dorf an der Küste Westafrikas staunten nicht schlecht, als die Flut Säcke mit einem seltsamen weißen Pulver an ihre Strände spülte. Doch sie konnten es gut nutzen, als Dünger auf ihren Feldern. Die Säcke stammten von einem gesunkenen Schiff.

Der Fund sprach sich herum, zwei Kolumbianer reisten an, mit 700.000 Euro im Gepäck. Wenige Tage später entdeckten Fahnder in Madrid an Bord eines Flugzeugs aus Guinea-Bissau 100 Kilo Kokain. Wert auf den Straßen Europas: zehn Millionen Euro.

Nicht nur Thriller-Freunde können sich darauf einen Reim machen. Auch die Studien des EMCDDA, des Drogen-Beobachtungszentrums der EU, weisen nach: Guinea-Bissau ist zum Transitland für Kokain auf dem Weg nach Europa geworden. Früher hatten sich Kolumbiens Kartelle an der EU die Zähne ausgebissen. Große Mengen waren an Patrouillenbooten und Flughafen-Kontrollen nicht vorbeizuschmuggeln.

Westafrika als Drehscheibe

Doch dann entdeckten die Drogenbarone einen Kleinstaat, der ihnen paradiesische Voraussetzungen bot: Guinea-Bissau ist verarmt, liegt nahe an Spanien, hat viele aufgelassene Landepisten. Gefängnisse gibt es dort nicht, dafür aber leicht korrumpierbare Beamte und Soldaten. Die Drogenbarone errichteten als Fischfabriken getarnte Kokain-Lager. Sie kauften Inseln, den Innenminister und den Staatsanwalt. Der Wert des Kokains, das durch den fünftärmsten Staat der Welt geschleust wird, übersteigt das Hundertfache des Bruttosozialprodukts.

Ähnliches gilt von Mauretanien und Senegal. Große Kokain-Blöcke aus Kolumbien, Bolivien und Peru kommen per Schiff, werden zerstoßen und zu kleinen Kugeln gebunden. Schon droht die nächste Logistik-Optimierung: Mit Labors vor Ort würde es genügen, Coca-Blätter zu verschiffen und sie in Afrika zu verarbeiten.

Marokko droht Mexiko-Schicksal

Dann reisen Kuriere mit Linienflügen nach Europa. Sie schlucken die Ware oder erfinden Verstecke. Spanische Fahnder wurden sogar in Gitarren und Stierkampf-Schwertern fündig. Oft treten Schmuggler in Rudeln auf: 2006 wurden in Amsterdam gleich 32 Drogenboten aus dem gleichen Flugzeug verhaftet. Doch Fahndungserfolge sind nur ein Tropfen auf den immer heißeren Stein.

Die Transport-Alternativen sind Propellermaschinen und kleine Schnellboote. Mit den Schleppern vor Ort haben sich die Kolumbianer längst vernetzt. Ziel ist die Iberische Halbinsel, für Latinos seit jeher die Pforte nach Europa.

Das Missing Link bleibt Marokko, dessen traditionelle Haschisch-Schmuggler sich noch nicht so recht über die neue, heißere Fracht trauen. Doch Drogenjäger aus den USA malen das Gespenst Mexikos an die Wand: Dort hatten die Kartelle in den Achtzigern die Schmuggel-Veteranen angeheuert und so Nordamerika mit Kokain überschwemmt.

Es kostete viele Milliarden Dollar, die Flut einzudämmen. Mittlerweile sinkt in den USA der Konsum, doch die EU rückt nach. Zwei Mio. Europäer, Tendenz steigend, schnupfen regelmäßig weißes Pulver, vor allem das Partyvolk in den schicken Klubs von Madrid, London und Paris. Für die Drogenbosse ist die EU durch den Entfall der Binnengrenzen und den starken Euro zum attraktivsten Markt geworden. Der Kilopreis im Großhandel ist mit etwa 50.000 Dollar doppelt so hoch wie in den USA. Doch auch die Gefahr aus dem Osten steigt. Was Kolumbien für Kokain ist, ist Afghanistan für Heroin. Aus Schlafmohn-Kapseln wird dort Opium gewonnen – die Basis für Morphium und Heroin. Die Anbauflächen weiten sich aus, die Produktion ist von 2005 auf 2007 um 80 Prozent gestiegen. Zwar stagniert der Heroin-Konsum in der EU. Doch die Sorge wächst, dass ein größeres Angebot seine Abnehmer im wichtigsten Absatzmarkt finden wird.

Heroin in den Scheinwerfern

Die traditionelle Route führt über den Iran, die Türkei und den Balkan. Doch auf diesem Transitweg herrscht längst Krieg. Der Iran hat an seiner Grenze 30.000 Polizisten in die Schlacht gegen schwer bewaffnete Schmuggler-Banden geworfen. Und auch in der Türkei weht der Mafia scharfer Wind entgegen: Die beschlagnahmten Mengen zählen zu den höchsten der Welt. Die türkische Polizei weiß, wo sie in den Transit-Lkw zu suchen hat: im Motor, in den Öltanks, in den Scheinwerfern.

Das scharfe Vorgehen hat eine neue Route ins Spiel gebracht, über die Seidenstraße in Zentralasien und Russland. Besonders gut im Geschäft ist die ukrainische Mafia. Und jede Ost-Erweiterung rückt das Problem des Schmuggels stärker in den Verantwortungsbereich Brüssels und der EU-Staaten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.09.2008)

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