Sarkozy kann nicht mehr aufhören

(c) AP (Francois Moril)
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Frankreichs Präsident will die EU-Wirtschaftspolitik selbst weiter gestalten.

PARIS. Der EU-Vorsitzende Nicolas Sarkozy beruft für den 7. November einen Sondergipfel ein, damit Europa beim Krisentreffen in den USA am 15. November „mit einer Stimme“ spricht. Da er im Namen der Union bei diesem von ihm gewünschten Weltfinanzgipfel in der Nähe von Washington redet, möchte er in Brüssel bei einem Mittagessen von den anderen 26 Mitgliedern einen offiziellen Auftrag oder wenn möglich gar einen Blankoscheck, um in Amerika als „EU-Präsident“ mit dem nötigen Gewicht auftreten zu können.

Frankreichs Präsident macht aus seinen Führungsambitionen kein Hehl mehr, sei es an den bisherigen Treffen im improvisierten G4-Rahmen oder innerhalb der Euro-Gruppe. Er ist überzeugt, dass er mit der „Moralisierung“ und der „Reorganisation des Kapitalismus“ ein Bauwerk begonnen hat, dessen Fortsetzung und Vollendung er als Chefarchitekt leiten will. Die Ende Dezember auslaufende sechsmonatige französische EU-Präsidentschaft reicht ihm dafür augenscheinlich nicht mehr aus.

Nicht überall stößt er mit seinem Vorpreschen auf Applaus, was in Frankreich manche geflissentlich übersehen. So schrieb etwa die „Presse de la Manche“ bewundernd: „Die EU verfügt gegenwärtig über einen Leader, der handelt und der als Feuerwehrmann an allen Brandausbrüchen steht.“ Auch eine andere Provinzzeitung, „L'Eclair des Pyrénées“, meint, dass dank Sarkozy die „Europäer nun eine Vorstellung haben, wie viel Gewicht sie hätten, wenn sie mit einer Stimme und mit einem glaubwürdigen Sprecher aufträten.“ Das ist dem französischen Staatschef aus dem Herzen gesprochen. Bei seinem Auftritt vor dem Europaparlament ließ er zuletzt durchblicken, dass er im kommenden Jahr den Vorsitz der Euro-Gruppe übernehmen und dieses Gremium in eine Art „Wirtschaftsregierung“ auf dem Niveau der Staats- und Regierungschefs umwandeln möchte.

Um seine Kritiker und potenziellen Gegner in den Windschatten zu stellen, macht Sarkozy Tempo und rechtfertigt dies mit den raschen Veränderungen, die durch die Krise zurzeit im Gange seien. Zweitens diskreditiert er alle, die nicht begriffen hätten, dass „der Finanzkapitalismus zu Ende“ sei. Seine Sätze beginnen fast systematisch mit einem kategorischen Imperativ, der jede Widerrede ausschließt: „Es ist nicht länger möglich; es ist nicht annehmbar; wer würde heute noch glauben...“

Von den Einwänden der Partner gegen sein Konzept der staatlichen Intervention und Investition, vor allem aus Deutschland, lässt sich Sarkozy kaum beeindrucken. Auch nicht von Kritikern, die darauf hinweisen, dass er mit seinen Forderungen nach Finanzspritzen für einzelne Industriezweige gegen EU-Wettbewerbsregeln verstößt. Er ist überzeugt, dass er recht hat und dass er von seinen Vorschlägen, wenn auch nicht alles, so doch das Wesentliche am Ende durchsetzen kann. „Mit dieser Taktik hatte er in diesen Sturmzeiten bisher Erfolg“, gesteht ihm sogar „Le Monde“ zu, warnt aber vor der Hast als Prinzip, weil sich bisher „in Europa nur Mäßigung und Kompromissbereitschaft“ ausgezahlt hätten.

Die achtarmige Hindu-Göttin

An eine achtarmige Hindu-Göttin erinnert Nicolas Sarkozy die polnische Zeitung „Rzeczpospolita“. Er ist hyperaktiv, gestikuliert nach allen Seiten, packt zu, organisiert Konferenzen und Gipfel, reist in Frankreich herum und als EU-Ratsvorsitzender nach China, und er hat auch noch Zeit, Klagen einzureichen gegen Sarkozy-Voodoo-Puppen, gegen ein senegalesisches Paar, das unbedacht sein privates Bankkonto um einige Euro erleichterte sowie gegen einen Demonstranten, der ihn als „pauvre con“ (armes Schwein) beschimpft hatte.

Nichts beflügelt den Staatschef so sehr wie die internationale Finanzkrise. Man hatte sich manchmal gefragt, mit welchem gallischen Zaubertrank sich dieser omnipräsente Politiker stimuliere, jetzt weiß man es: Es ist die Aufregung durch die politische Aktualität und das permanente Rampenlicht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.10.2008)

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