Tschechien: Klaus verbietet EU-Fahne auf dem Hradschin

(c) BilderBox (Erwin Wodicka)
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Für den europafeindlichen Präsidenten ist die Ratspräsidentschaft 2009 „bedeutungslos“.

Prag. Die Europa-Fahne auf der Prager Burg neben der tschechischen? Völlig normal, sollte man meinen. Erst recht, wenn Tschechien im ersten Halbjahr 2009 den Ratsvorsitz in der EU innehat. Doch der Prager Burgherr, der europaskeptische Präsident Václav Klaus, lehnt die Beflaggung strikt ab. „Es gibt keinen Grund für eine EU-Fahne“, erklärte sein Sprecher: „Wir sind auch Mitglied der Nato und der UNO und lassen deren Fahnen auch nicht aufziehen.“

Klaus' Vorgänger Václav Havel nannte diese Einstellung für einen amtierenden Präsidenten „einigermaßen skandalös“. Neu ist sie freilich nicht: Schon 2004, als Tschechien der Union beitrat, verweigerte Klaus die EU-Flagge auf seiner Burg. Stattdessen fuhr er zum Berg Blaník. Dort warten der Sage nach untote böhmische Ritter auf ihren Einsatz für den Fall, dass dem Land Ungemach droht.

Freilich scheint es nicht in dieses Feind-von-außen-Schema zu passen, dass Tschechien nun für ein halbes Jahr formell selbst das Kommando in Europa übernimmt. Deshalb bemüht sich Klaus nach Kräften, den EU-Vorsitz herunterzuspielen. Die Ratspräsidentschaft von kleinen Ländern wie Tschechien sei „ohne Bedeutung“. Denn Europa werde ja in Wahrheit von vier Mächten kontrolliert: Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Italien. In dieser Hinsicht habe sich in Europa seit den Zeiten des Münchener Abkommens von 1938, in dem diese vier die Zerschlagung der Tschechoslowakei besiegelten, nichts geändert.

Angesichts solcher Vergleiche ist es kein Wunder, dass vielen in Brüssel schon jetzt die Gänsehaut kommt, wenn sie an die Rolle von Klaus während der tschechischen Präsidentschaft denken. Bereits im Juni hat der EU-Skeptiker von der Moldau allgemeines Kopfschütteln geerntet, für seine euphorischen Glückwünsche an die Iren, die den EU-Reformvertrag in einem Referendum abgelehnt hatten. „Damit ist Lissabon endgültig tot“, frohlockte Klaus.

Tatsächlich hat man auch an der Moldau noch nicht wirklich über den Vertrag entschieden. Derzeit prüft das Verfassungsgericht, ob der Vertrag mit dem Grundgesetz kollidiert. Doch wenn es keine Einwände gibt, wird die Regierung von Premier Mirek Topolánek den Vertrag noch vor Jahresende ratifizieren. Das mache ihn „verrückt“, erklärte Klaus im nationalen Fernsehen.

Verzweifelt gesucht: Eine Rolle für Klaus

Auch den Hut als Ratsvorsitzender wird nicht Klaus, sondern Premier Topolánek aufsetzen. Doch seine bürgerliche Regierung ist massiv geschwächt. In der Vorwoche überstand sie nur knapp ein Misstrauensvotum, bei den Wahlen am Wochenende verlor sie die Mehrheit im Senat. Schon spekulieren tschechische Medien über vorgezogene Neuwahlen während der EU-Präsidentschaft, was eine besondere Blamage wäre. Die Ohnmacht der Regierung stärkt automatisch den Präsidenten. Damit er nicht selbst Aufgaben an sich reißt, muss ihm die Regierung noch rasch eine repräsentative Rolle zuweisen. Nur welche?

Sicher wird es einen EU-Russland-Gipfel im kommenden Halbjahr geben. Aber ist Klaus dafür der geeignete Anführer? Im Kaukasus-Konflikt hat sich Klaus – anders als die anderen EU-Länder – auf die Seite Russlands geschlagen und Georgiens Staatschef als Verursacher der Krise bezeichnet.

Dann wäre da noch ein Gipfeltreffen mit den USA. Doch dort wollen die Europäer dem neuen US-Präsidenten ins Gewissen reden, mehr gegen die globale Erwärmung zu tun als sein Vorgänger Bush. Das passt ganz schlecht in die politische Agenda von Klaus. Denn der preist gerade in aller Herren Länder sein jüngstes Buch an, in dem er die globale Erwärmung massiv bestreitet.

Was also machen mit dem EU-Feind in der Prager Burg? EU-Minister Vondra meinte zum Fahnenstreit vorsichtig, vielleicht würde der Präsident ja die Flagge wenigstens bei wichtigen Treffen hissen. Aber als Fan von Klaus weiß er: Mehr als eine vage Hoffnung ist das nicht.

ZUR PERSON

Václav Klaus ist ein prominenter EU-Skeptiker. Der tschechische Präsident ist gegen den Lissabon-Vertrag, gegen EU-Klimaziele und polemisiert nun sogar gegen den kommenden EU-Vorsitz seines Landes, den er für unbedeutend hält. Seine Begründung: Die Union werde sowieso von Paris, Berlin, London und Rom dominiert. [AP]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.10.2008)

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