EU: "Zeugnisse" für die Kandidatenländer

(c) AP (SARI GUSTAFSSON)
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EU-Erweiterungs-Kommissar Olli Rehn stellt Kroation und Serbien eine Annährung in Aussicht. Die "konstruktive Rolle" der Türkei wird gewürdigt. Kein Verhandlungsdatum für Mazedonien.

EU-Erweiterungskommissar Olli Rehn verteilt am Mittwoch wieder "Zeugnisse" an die EU-Kandidaten. Neben einer EU- Erweiterungsstrategie für die Jahre 2008 und 2009 legt die Kommission ihren jährlichen Fortschrittsbericht für jene acht Länder vor, mit denen die EU über eine Mitgliedschaft verhandelt oder denen sie eine Beitrittsperspektive in Aussicht gestellt hat. Kroatien und Serbien stellt die Kommission 2009 laut einem der APA vorliegenden Entwurf wichtige EU-Annäherungsschritte in Aussicht. Die internationale Rolle der Türkei für Europa wird ausdrücklich gewürdigt. Mazedonien muss sich weiter gedulden.

Türkei: Die EU-Kommission will dem Land am Bosporus in mehreren Bereichen Anerkennung zollen und gleichzeitig einen neuen Impuls für weitere Reformen einmahnen. In dem Entwurf wird die "konstruktive Rolle" der Türkei im Kaukasus sowie als Vermittler in Nahost hervorgehoben. Die strategische Bedeutung der Türkei für die Energiesicherheit der EU soll in dem Bericht ebenfalls betont werden. Auf der anderen Seite fordert die EU-Kommission jedoch auch einen "neuen Impuls" für weitere Reformen. Drogenhandel, Organisiertes Verbrechen und Korruption werden als "ernste Probleme" bezeichnet. Der Berichtsentwurf enthält zudem kritische Passagen über Mängel bei Rechtstaatlichkeit, Verwaltung, Justiz sowie Menschen- und Bürgerrechten. Speziell kritisiert wird die Diskriminierung von Minderheiten wie der Roma.

Kroatien: Die EU-Kommission will dem Land den Abschluss der Beitrittsverhandlungen im nächsten Jahr in Aussicht stellen. Wenn Kroatien alle dafür nötigen Reformen erfülle, könnten die Gespräche 2009 auf technischer Ebene beendet werden, heißt es in dem Entwurf. Kroatien hofft auf einen EU-Beitritt noch 2010, dies muss aber von den EU-Staaten entschieden werden. Zu weiteren Reformanstrengungen mahnt die EU-Behörde die Regierung in Zagreb in der Justiz, der öffentlichen Verwaltung und im Kampf gegen die Korruption. Auch müsse das Land noch bedeutende Anstrengungen bei der Umstrukturierung und Privatisierung de Schiffswerften leisten, damit diese dem EU-Wettbewerb standhalten.

Serbien: Die EU-Kommission hält es für "möglich", Belgrad 2009 offiziellen EU-Kandidatenstatus zu verleihen. Seit den vergangenen Präsidentschafts- und Parlamentswahlen gebe es mehr Stabilität in der Regierung und einen größeren Konsens bei de EU-Annäherung, heißt es in dem Entwurf. Mit der Auslieferung der mutmaßlichen Kriegsverbrecher Radovan Karadzic und Stojan Zupljanin habe Belgrad "deutlichen Fortschritt" in der Zusammenarbeit mit dem UNO-Tribunal erzielt. Diese bleibe eine internationale Verpflichtung für das Land, heißt es. Auch die Stärkung von Rechtsstaatlichkeit und Wirtschafts- und Budgetreformen werden verlangt. In Hinblick auf den Kosovo und dessen Teilnahme an regionalen Initiativen und in internationalen Foren fordert die EU-Kommission Belgrad zu einer "konstruktiven Haltung" auf.

Mazedonien: Die Regierung in Skopje muss weiter auf ein Datum für die Eröffnung von Beitrittsgesprächen warten, obwohl Mazedonien seit 2005 offiziell EU-Kandidat ist. Das Land habe im vergangenen Jahr zwar einige Fortschritte gemacht, erfülle aber noch nicht die politischen Kriterien für die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen, heißt es in dem Entwurf. Die Parlamentswahlen vom Juni hätten internationale Standards nicht erfüllt. "Das Fehlen eines konstruktiven politischen Dialogs zwischen den großen politischen Parteien und Akteuren haben das Funktionieren der politischen Institutionen nachteilig beeinflusst", wird in dem Papier kritisiert.

Montenegro: Die EU-Kommission bescheinigt dem Kleinstaat Fortschritte in der politischen und wirtschaftlichen Entwicklung. Besondere Anstrengungen seien aber noch bei der Justizreform nötig. Trotz einiger Fortschritte bleibe der Kampf gegen Korruption und organisierte Kriminalität eine große Herausforderung, heißt es. Mangelnde Rechtsstaatlichkeit sei auch das großte Problem für die Wirtschaftsentwicklung.

Albanien sollen Fortschritte bei politischen Reformen attestiert werden. Die Umsetzung des Interim-Abkommens mit der Union gehe im Großen und Ganzen reibungslos von statten. Weiteren Verbesserungsbedarf sieht die EU-Kommission laut Entwurf jedoch für den Rechtsstaat, beim Funktionieren der staatlichen Institutionen ebenso wie in Verwaltung und Exekutive.

Bosnien und Herzegowina: Hier wird deutlich kritisiert, dass führende Politiker sowohl der bosniakisch-kroatischen Föderation als auch der Republika Srpska die auf dem Daytoner Friedensabkommen beruhenden Verfassung des Staates in Frage gestellt haben. Dadurch seien die für einen möglichen EU-Beitritt notwendigen Reformen zum Erliegen gekommen. Es gebe weiterhin nur schwachen Konsens zu den wichtigsten Reformvorhaben, heißt es in dem Entwurf. Die EU sieht angesichts des geschlossenen Stabilisierungs- und Assoziationsabkommens ihr Bekenntnis zu einer europäischen Zukunft des Landes als bekräftigt an und sieht nun den Ball bei Bosnien und Herzegowina.

Kosovo wird erneut als Fall "sui generis" bezeichnet in dem eine "neue Realität" herrsche. Der Berichtsentwurf betont die Bereitschaft der EU, dem Land durch eine "klare europäische Perspektive" bei der politischen und wirtschaftlichen Entwicklung unter die Arme zu greifen. Das Land habe eine Verfassung "nach europäischem Standard" und einen "umfangreichen Teil der wichtigsten Gesetzgebung" durchgeführt. Es verblieben aber "größere Herausforderungen", darunter die Stärkung der Institutionen, die Verankerung des Rechtsstaates sowie die "Vertiefung des Dialogs und der Versöhnung der Gemeinschaften".

(APA)

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