EU – Russland: Das Eis bricht

(c) Reuters (Yves Herman)
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Die EU-Außenminister geben grünes Licht für Verhandlungen über ein neues Kooperations-Abkommen. Ihre Forderung nach einem Truppenabzug in Georgien bleibt.

BRÜSSEL. Die diplomatische Eiszeit zwischen EU und Russland dürfte bald vorbei sein. Trotz des ungelösten Georgien-Konflikts darf Moskau auf eine baldige Wiederaufnahme der Verhandlungen über ein neues EU-Russland-Abkommen hoffen. Bis zuletzt hatte sich Litauen gegen einen baldigen Start quergelegt. Denn seit dem russischen Aufmarsch in Georgien fürchtet es eine neue Welle von Konflikten. Am Montag beim Treffen der EU-Außenminister in Brüssel zerstreuten sich diese Bedenken zwar nicht, Litauen hält Verhandlungen weiter für einen „ernsten historischen Fehler“. Die 26 anderen EU-Staaten sprachen sich aber vehement für eine „Normalisierung“ der Beziehungen aus. Am Ende einigten sich die 27 einstimmig auf eine Erklärung, die den Weg zu Verhandlungen freigibt, gleichzeitig aber Kritik an Russland enthält.

Eine Wiederaufnahme der Verhandlungen wäre „im Interesse der EU“, erklärte Österreichs Staatssekretär Hans Winkler, der Außenministerin Ursula Plassnik vertrat. Dies wäre „kein Zuckerl“ für Russland. Er bezog sich unter anderem auf die Energielieferungen, die Europa immer stärker aus Russland nachfragt. Die Strom- und Gaslieferungen könnten mithilfe des neuen Abkommens sicherer werden. 2005 war ein früheres Abkommen mit Russland ausgelaufen, die Handelsbeziehungen sollen nun auf eine neue Basis gestellt werden.

Die Verhandlungen darüber waren zwar im Juli gestartet, im September wegen Georgien aber unterbrochen worden. Für eine Wiederaufnahme braucht es keinen formellen Beschluss aller EU-Staaten, ihre gemeinsame Erklärung vom Montag genügt.

Gleichzeitig sandten die Außenminister allerdings eine zweite Botschaft: Die EU habe weiter Bedenken gegenüber Moskau. Die Mitgliedstaaten pochen auf eine Einhaltung des Sechs-Punkte-Friedensplans der EU mit Russland und Georgien vom August. Vor allem der Abbau der Truppen durch Russland auf die Stärke vor dem Georgien-Krieg wird von russischer Seite verweigert. Die Russen hatten im August ihre Truppen aufgerüstet, nachdem die georgische Regierung eine Militäraktion in Südossetien gestartet hatte. Dort und in Abchasien leben tausende Russen. Moskau erkennt die abtrünnigen Provinzen als unabhängig an, die EU hält hingegen an der „territorialen Integrität“ Georgiens fest.

EU-Russland-Gipfel am Freitag

Dennoch wird die EU-Kommission im Namen der EU-Länder demnächst die Verhandlungen über ein neues Abkommen wiederaufnehmen. Bereits beim EU-Russland-Gipfel am kommenden Freitag in Nizza könnte der Fahrplan dafür festgelegt werden.

Die Verhandlungen, so Winkler, würden auch die Gelegenheit bieten, mit Russland über viele offene Fragen abseits des Handels zu sprechen. Das Vertrauen gegenüber Moskau sei nämlich nach der Georgien-Krise und jüngsten Drohgebärden beeinträchtigt. Dies auch wegen der Ankündigung Moskaus, Kurzstreckenraketen in seiner Exklave Kaliningrad zwischen den EU-Mitgliedern Polen und Litauen zu stationieren. Europa fühlt sich dadurch bedroht.

Für Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn sind die Gespräche eine Chance, auch dieses Problem zu lösen: Sobald man an einem Tisch sitzt, könnte man sagen: „Was ihr da macht, ist wirklich gefährlich.“ Moskau zeigte sich mit der Aussicht auf Verhandlungen über ein Abkommen zufrieden.

WIE ES WEITERGEHT

Am 14. November findet der EU-Russland-Gipfel in Nizza statt. Dort wollen die höchsten Repräsentanten der EU und Russlands weitere Schritte zu einem Abkommen beschließen.

Das EU-Russland-Abkommen zu verhandeln wird mehrere Monate oder Jahre dauern. Es soll Erleichterungen für den Handel bringen, für die EU sollen Energielieferungen sicherer werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.11.2008)

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