Kroatiens Weg nach Europa blockiert

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Flaggen(c) EPA (Peter Kneffel)
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Durch Sloweniens Veto gegen weitere Verhandlungen dürfte der kroatische EU-Beitritt 2011 endgültig scheitern. Schuld ist ein zunehmend skurriler Zank unter Nachbarn.

Zagreb. Europa kann auch an Blumentöpfen scheitern. Brüssels Beamte staunten nicht schlecht, als sie im April einen Brief von einem Herrn Joras erhielten, wohnhaft in Secovlje1, im Niemandsland zwischen Kroatien und Slowenien.

Man möge dafür sorgen, war da zu lesen, dass die vier Betontröge verschwinden, mit denen kroatische Polizisten den Schotterweg zu seinem Haus blockieren. Über den schwindelte sich der Slowene früher an einer Grenzstation vorbei, die er nicht akzeptiert. Und nicht nur er: Wo das Flüsschen Dragonja in der Bucht von Piran in die Adria mündet, streiten die beiden früheren jugoslawischen Teilrepubliken seit ihrer Unabhängigkeit 1991 um einige wenige Quadratkilometer und drei Weiler.

Jetzt blockiert die andere Seite in ganz anderen Dimensionen. Statt um einen Feldweg geht es um Kroatiens EU-Beitritt, statt um Blumentöpfe um ein Veto Sloweniens gegen weitere Verhandlungen. Ginge es nach Erweiterungskommissar Olli Rehn, stünde der Fahrplan fest: Abschluss der Verhandlungen Ende 2009, Beitritt 2011. Morgen, Freitag, sollte eine Konferenz einen großen Schritt nach vorne bringen, sollten fünf der 35 Verhandlungskapitel vorläufig geschlossen und zehn neue eröffnet werden. Daraus wird nun nichts. Slowenien legt sich bei elf Kapiteln quer, bei sieben allein deshalb, weil sie von kroatischen Landkarten „kontaminiert“ seien.

In diese Karten, die den Verhandlungsdokumenten beiliegen, haben die Kroaten den Grenzverlauf nach ihrem Gutdünken eingezeichnet – mitten durch die Piraner Bucht. Das würde den Slowenen den Zugang zu internationalen Gewässern verwehren, den sie sich seit Langem wünschen. Sie fürchten, dass Kroatien mit den Karten Tatsachen schafft – für ein internationales Schiedsgericht, an das sich die Streithähne bald wenden wollen.

Kouchner „fehlen die Worte“

Die französische Ratspräsidentschaft schlug einen Kompromiss vor: Völkerrechtlich verbindlich sollten die Kroaten erklären, dass die Karten kein Präjudiz bedeuten. Auch darauf konnte man sich nicht einigen. Über das spitzfindige Gezänk schüttelt man in Europa die Köpfe. „Mir fehlen die Worte“, gestand Frankreichs Außenminister, Bernard Kouchner, vor einigen Tagen. Doch dass Slowenien auf stur schaltet, kommt nicht aus heiterem Himmel.

Wiederholte Male haben die Kroaten sie provoziert: An ein Grenzverlaufsabkommen von 2001 hielten sie sich ebenso wenig wie an eine Vereinbarung von 2004, in der es darum ging, eine umstrittene Fischereizone nicht in die Tat umzusetzen. Dieser handfeste Kern des Streits wurde aber im März ausgeräumt. Zagreb lenkte ein, und seitdem geht es fast nur noch um Blumentöpfe, Nationalstolz und Ressentiments.

Diese reichen zurück bis Tito, der die Grenzen zwischen den Bundesstaaten nie genau festgelegt hat. Auf beiden Seiten sind kollektive Komplexe mit im Spiel. Slowenien leidet darunter, nur 47 Kilometer Küste zu besitzen, kein Hundertstel der Kroaten. Denen macht es zu schaffen, dass die Slowenen gern den Musterschüler raushängen lassen – als Erster in der Nato, als Erster in der EU und weit vorn beim Lebensstandard. Dass sich die Schengen-Außengrenze vor einem Jahr zwischen die Ex-Bruderstaaten schob, macht alles nicht leichter.

Lange hat Brüssel den Konflikt als Provinzposse abgetan, die mit EU-Beitritt und Grenzöffnung ihr natürliches Happy End finden würde. Der Streit sei bilateral zu klären und habe in Beitrittsverhandlungen nichts verloren – so lautete die Devise. Erst seit heuer wird in zwei Dossiers eine Lösung gefordert. Damit aber hat sich die EU den Konflikt ins eigene Haus geholt. Nun legt der Beitrittsprozess eine Vollbremsung hin, auch Zagreb schaltet auf stur und droht mit „verheerenden Folgen“.

(c) Die Presse / GK

Vielleicht hilft den Politikern die Erinnerung an Herrn Joras. In seiner Sache konnten sich die beiden Innenminister einigen: Die Töpfe kamen weg, ein Schlagbaum trat an ihre Stelle. Die Grenze spielte plötzlich keine Rolle mehr – natürlich ohne jedes Präjudiz.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.12.2008)

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