Chaos bei Schengen-Datenaustausch

(c) BilderBox (Erwin Wodicka)
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Trotz Millionen-Investitionen scheitert die Übermittlung von Fingerabdrücken. Am Donnerstag beim EU-Innenminister-Rat in Brüssel werden die 27 Fachminister einen Ausweg suchen.

BRÜSSEL. Die EU schafft es offenbar nicht, an den Schengen-Außengrenzen strengere elektronische Einreisekontrollen durchzuführen. Am 21. Dezember 2007 wurde die Schengen-Zone auf 24 Länder ausgedehnt. Seither zählen auch Polen, Tschechien, Litauen, Lettland, Estland, Ungarn, die Slowakei, Slowenien und Malta zum europäischen Schengen-Raum, in dem es keine Pass- und keine Personenkontrollen mehr gibt. Vier weitere Länder kamen dazu. Nur noch an den Schengen-Außengrenzen, unter anderem gegenüber Russland und der Ukraine, werden Kontrollen durchgeführt. Und die heute 28 Schengen-Staaten wollten sich dafür besonders rüsten, denn sie befürchten einen wachsenden Ansturm von Flüchtlingen oder Kriminellen.

Vor allem Fingerabdrücke sowie gescannte Gesichtsfotos von Einreisenden in die Zone sollten an den Grenzen in das neue „Schengen-Informationssystem II“ (SIS II) an den Grenzen eingespeist und zwischen den Schengen-Ländern ausgetauscht werden. So wollte man illegale Einwanderung und organisierte Kriminalität eindämmen.

Doch jetzt ist der Plan der Kommission offenbar gescheitert: Das neue SIS-II-System zur besseren Kontrolle ist nicht zustande gekommen, obwohl die EU-Länder bereits mehr als 100 Mio. Euro in die Entwicklung investiert haben. Schon 2007 hätte SIS II ursprünglich fertig sein sollen, es folgten mehrere Aufschübe. Nichts funktionierte so, wie es sollte.

Am Donnerstag beim EU-Innenministerrat in Brüssel werden die 27 Fachminister einen Ausweg suchen. Wahrscheinlich ist, dass sie Schlussfolgerungen vereinbaren, wonach das Projekt SIS II endgültig gestoppt würde. Stattdessen sollte das bestehende System „SIS I – one for all“ ausgebaut werden und möglichst schon 2010 startklar sein. Darauf drängt auch Österreich. Ob Innenministerin Maria Fekter (ÖVP) am Rat teilnehmen wird, ist noch offen.

Details über das erweiterte SIS-I-System blieben bis zuletzt offen. Auf der Strecke bleibt voraussichtlich eine Speicherung, bei der Daten im Verdachtsfall automatisch und rascher zwischen den Ländern verglichen werden. Die Sorge unter den 28 Schengen-Ländern (darunter auch Nicht-EU-Staaten) wächst, dass Europa nicht mehr ausreichend vor illegaler Zuwanderung und organisierter Kriminalität aus dem Osten oder Süden geschützt sein werde.

Bisher erlaubt das System „SIS I – one for all“, dass vor allem folgende Daten zwischen den Schengen-Ländern ausgetauscht werden:
•über Personen, die ausgeliefert werden sollen;
•über Ausländer, die nicht einreisen dürfen;
•über Personen, die vermisst werden;
•über Personen, die unter Polizeischutz stehen;
•über Zeugen;
•über Personen oder Fahrzeuge, die verdeckt überwacht werden;
•über Gegenstände wie gestohlene Autos, Waffen, Dokumente oder Bargeld.

Das verkündete die Kommission noch 2006 voll Stolz. Doch die Forderungen der Länder sind lauter geworden, dass es noch mehr und schnelleren Austausch von Daten zwischen den Mitgliedern der Zone brauche, wolle man illegale Zuwanderung und organisiertes Verbrechen wirksam bekämpfen.

Neue Solidarität bei Asyl?

Denn die Flüchtlingsströme aus dem Rest der Welt zählen viele tausend Menschen im Jahr. Daraus folgt ein Problem, das die Minister in Brüssel ebenfalls angehen wollen: Asylanträge werden in den EU-Staaten unterschiedlich wohlwollend behandelt. Künftig soll EU-weit ein Standard gelten – also Solidarität zwischen den Ländern.

LEXIKON

Schengen-Informationssystem, kurz SIS, dient dem Austausch von Fahndungsdaten zwischen den Polizei- und Zollbehörden. SIS II soll auch den Austausch von digital gespeicherten Fingerabdrücken und Passfotos ermöglichen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.02.2009)

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