Luxemburg-Leaks: „Politisch bin ich verantwortlich“

File photo of Luxembourg´s then-Prime Minister Juncker attending a news conference at the end of a European Union leaders summit in Brussels
File photo of Luxembourg´s then-Prime Minister Juncker attending a news conference at the end of a European Union leaders summit in Brussels(c) REUTERS (YVES HERMAN)
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Kommissionspräsident Juncker will wegen der Steuertricks in seinem Land nicht zurücktreten und setzt auf Reformen. Das EU-Parlament will Taten sehen.

Brüssel. Jean-Claude Juncker kennt die politische Dialektik wie kaum ein anderer. Am Dienstag nahm er erstmals zu den aufgedeckten systematischen Steuertricks in Luxemburg während seiner Amtszeit Stellung: „Politisch bin ich natürlich verantwortlich.“ Doch er sehe keinen Anlass, deshalb vom Posten des EU-Kommissionspräsidenten zurückzutreten. „Und als Luxemburger Premier kann ich ja wohl nicht zurücktreten.“

Juncker kündigte an, dass sich die Kommission nun für eine gemeinsame Steuergrundlage einsetzen werde. Außerdem soll es einen automatischen Austausch von Steuerregeln für Unternehmen geben, um geheime Absprachen zwischen Finanzbehörden und Konzernen künftig zu vermeiden.

Buhrufe im EU-Parlament

Dass diese hehren Versprechen allein noch nicht für eine Beruhigung rund um „Lux-Leaks“ führen dürften, ist dem Kommissionspräsidenten durchaus bewusst. Besonders im EU-Parlament ist die Aufregung groß. Juncker entschied deshalb kurzfristig, bei der Plenarsitzung am gestrigen Mittwochnachmittag um „Vertrauen“ bei den Abgeordneten zu bitten. „Untersuchungen zu den Steuererleichterungen in mehreren Mitgliedstaaten werden durchgeführt“, versprach er. Die zuständige Wettbewerbskommissarin, Margrethe Vestager, sei selbstverständlich frei in ihrem Handeln: „Ich werde mich da raushalten.“ Doch die Rede kam nicht bei allen Abgeordneten gut an; der Kommissionspräsident erntete quer durch den Brüsseler Plenarsaal Buhrufe.

Die Linksfraktion sammelt seit Montag sogar Unterschriften für ein Misstrauensvotum – 76 Abgeordnete sind dafür nötig. Doch selbst wenn es zu einem solchen Votum kommt – bei dem im Übrigen das gesamte Kabinett Junckers zur Abwahl stünde –, ist ein positiver Ausgang (zwei Drittel der Abgeordneten müssten dafür stimmen) nach derzeitiger Stimmungslage so gut wie ausgeschlossen: Die Sozialdemokraten etwa werden sich nicht daran beteiligen, wie SPÖ-Europaabgeordnete Evelyn Regner gestern bestätigte. „Er soll jetzt nicht zurücktreten. Wir wollen das Momentum nutzen, um künftig in der gesamten EU für mehr Steuergerechtigkeit zu sorgen.“ Eine Absetzung des Kommissionspräsidenten würde lediglich für Chaos sorgen. Regner hofft, dass sich nun eine Dynamik zu mehr Steuerharmonisierung entwickelt. Jedenfalls gebe es Möglichkeiten, künftig die steuerschonenden Konstruktionen durch ein einheitliches EU-Gesellschaftsrecht zu verhindern. Einen Misstrauensantrag wollen auch die Grünen vorerst nicht unterstützen. Jetzt sei die Chance da, „Tabula rasa“ zu machen, sagt Ulrike Lunacek im „Presse“-Gespräch. Ihre wichtigste Forderung an Juncker: Ein Aktionsplan zur Steuervermeidung und eine ungehinderte Untersuchung der Systeme in allen betroffenen Staaten. Transparenz in Steuerfragen fordern auch die Liberalen – wenngleich sie eine „Vorverurteilung“ Junckers für falsch halten, wie Angelika Mlinar (Neos) sagt. Steuervermeidung sei im Gegensatz zu Steuerwettbewerb aber kein liberales Prinzip.

Die EVP, deren Parteienfamilie Juncker angehört, fordert eine umfassende Untersuchung und eine gemeinsame Bemessungsgrundlage im Steuerbereich – ist aber dagegen, den Skandal um die aufgedeckten Steuererleichterungen auf Luxemburg zu reduzieren.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.11.2014)

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