EU-Annäherung spaltet Island

(c) Reuters (Ints Kalnins)
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Die Bevölkerung will den Euro, aber nicht die EU-Fischereipolitik. Die Übergangs-Regierung versteht sich als Feuerwehr, die den Brand der Krise löschen soll

REYKJAVIK. „Ich setze mich in keine Regierung, die nicht den EU-Beitritt in ihrem Programm ganz oben hat“, sagt Islands sozialdemokratischer Außenminister Ossur Skarphedisson. Vom links-grünen Koalitionspartner kommen andere Töne. „Der Nutzen der Mitgliedschaft kann die Nachteile nicht aufwiegen“, meint deren Vorsitzender, Finanzminister Steingrimur Sigfusson. So zieht sich die EU-Frage wie eine Kluft durch Islands Übergangskabinett, und so gespalten wie die Regierung ist auch die Bevölkerung.

Hatten viele Isländer im Herbst, als die Finanzkrise mit Bankenkrach und drohendem Staatsbankrott über sie hereinbrach, die EU als Rettungsinsel im stürmischen Meer gesehen, was sich in Zustimmungsraten von über 60Prozent für einen Beitrittsantrag widerspiegelte, so ist die Begeisterung inzwischen wieder abgekühlt. Jüngste Umfragen sehen EU-Anhänger und -Gegner gleichauf, und bei den Parlamentswahlen am 25. April will eine neue Partei antreten, die als ihr einziges Ziel nennt, einen EU-Beitritt zu verhindern.

Die Regierung hat die heikle Beitrittsfrage vorerst in einem Ausschuss geparkt, der Mitte April sein Weißbuch über Vor- und Nachteile der Mitgliedschaft vorlegen soll. Das rot-grüne Kabinett, das nun regiert, ist ja auch nicht gebildet worden, um strategische Entscheidungen zu treffen. Die Übergangsregierung versteht sich als Feuerwehr, die den Brand der Krise löschen soll. „Wir müssen die allerdringendsten Wirtschaftsprobleme lösen und dann Neuwahlen abhalten“, sagt der Sozialdemokrat Skarphedisson.

Beschleunigte Aufnahme

Nach den Wahlen aber fordert er, dass man schleunigst die Hand ergreifen möge, die die EU den geplagten Isländern hinstreckt. Erweiterungskommissar Olli Rehn hat ihnen ein beschleunigtes Aufnahmeverfahren in Aussicht gestellt, da Island durch seine Mitgliedschaft im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) einen Großteil des EU-Regelwerks längst übernommen hat.

Doch die Fischereipolitik steht dem isländischen Beitritt im Weg. Zwar ist Skarphedisson überzeugt, dass Brüssel für die Wünsche der isländischen Fischer ein offenes Ohr hätte, „und der EU-Fischereikommissar würde ein Isländer sein“. Doch Sigfusson, der neben den Finanzen auch die Fischerei in seinem Ressort hat, widerspricht. Bei der Kontrolle der eigenen Wirtschaftszone gehe es um vitale Interessen. Die Fischerei ist immer noch Islands wichtigster Wirtschaftszweig. Hinzu kämen die Zweifel, welchen Einfluss ein Land mit 320.000 Menschen in der EU bekäme. „Die Hälfte der Wirtschaftstreibenden und die Mehrheit der Bevölkerung“ stünden der EU skeptisch gegenüber, sagt Sigfusson.

Doch auch die Verfechter nationaler Selbstbestimmung erkennen an, dass die Rolle der isländischen Krone als selbstständige Währung ausgespielt ist. Sie verlor im Vorjahr mehr als die Hälfte ihres Werts und wird seither international nicht mehr notiert. „Wir brauchen den Euro“, ist die Haltung der Handelstreibenden in Reykjavik. Dass man nicht den Euro übernehmen kann, ohne der EU beizutreten, wie dies der frühere konservative Premier Geir Haarde vorschlug, haben die Verantwortlichen nach entsprechenden Winken aus Brüssel inzwischen verstanden.

Skarphedisson glaubt, dass der Euro in einer kommenden EU-Abstimmung den Ausschlag geben werde. „Die Leute sind bereit, die EU zu erdulden, um die Stabilität des Euro zu bekommen“, spöttelt der Außenminister.

AUF EINEN BLICK

Island strebt seit der schweren Krise seiner Banken und der Talfahrt seiner Währung im vergangenen Jahr einen EU-Beitritt an. Brüssel hat bereits ein beschleunigtes Aufnahmeverfahren in Aussicht gestellt. Das Land ist nämlich seit 1994 EWR-Mitglied und hat deshalb viele EU-Regeln schon übernommen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.03.2009)

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