Steuerdeals: Kommission weitet Prüfung auf alle EU-Staaten aus

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Bisher waren sieben Länder betroffen. Nun müssen alle 28 die Informationen über „Tax Rulings“ nach Brüssel übermitteln.

Brüssel/Wien. Bis jetzt hatte die EU-Kommission bei der Überprüfung von Steuerentscheiden (sogenannter „Tax Rulings“) lediglich sieben EU-Mitgliedstaaten auf dem Radar – darunter, wie berichtet, Luxemburg, das durch die im November publik gewordene Lux-Leaks-Affäre im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses steht. Nun aber will Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager die Untersuchungen auf alle 28 EU-Mitgliedstaaten ausdehnen, wie sie am gestrigen Mittwoch verkündete. „Wir müssen uns einen vollständigen Überblick über die Praxis verbindlicher Steuerentscheide in der EU verschaffen, um feststellen zu können, ob und wo der Wettbewerb im Binnenmarkt durch selektive Steuervergünstigungen verfälscht wird“, so die Dänin. Die Informationen sollen Steuervermeidung verhindern und für einen fairen Steuerwettbewerb in der EU sorgen.

Aggressive Planung

Dahinter steht der Verdacht, dass bestimmte Staaten es multinationalen Unternehmen erlauben, mit aggressiver Steuerplanung ihre Belastung teils massiv zu senken. Durch die Tax Rulings können die Unternehmen ihre Geschäfte zwischen verschiedenen Konzernteilen steuerlich vorteilhaft gestalten. Die Kommission hat nun alle Mitgliedsländer dazu aufgefordert, Informationen über Steuerentscheide zu liefern und „gegebenenfalls eine Liste aller Unternehmen, die zwischen 2010 und 2013 einen Steuerentscheid erhalten haben, bereitzustellen.“

Ob die Praktiken mancher EU-Länder, multinationalen Unternehmen Steuervorteile zu gewähren, mit den europäischen Regeln für Staatsbeihilfen im Einklang stehen, wird nun eruiert.

Die Kommission kann allerdings nur die Frage gleicher Wettbewerbsbedingungen überprüfen – ob also die Steuerpraktiken in den Mitgliedstaaten und die Steuerplanung multinationaler Unternehmen mit den Beihilfevorschriften der Union im Einklang stehen. Die Steuerpolitik selbst ist bekanntlich Sache der Mitgliedstaaten. Auf dieser Grundlage überprüft die Behörde seit Juni 2013 die sieben Mitgliedstaaten Irland, Luxemburg, Malta, die Niederlande, Großbritannien und Zypern. Von weiteren Ländern fordert sie Informationen zu Briefkastenfirmen. Prüfverfahren in drei Fällen laufen seit Juni dieses Jahres: Apple in Irland, Starbucks in den Niederlanden und Fiat Finance & Trade in Luxemburg. Im Oktober wurde ein weiteres Verfahren betreffend Amazon in Luxemburg eingeleitet.

Massiver Druck

Die Veröffentlichung umstrittener Steuerpraktiken wie jene im Fall Amazons haben den neuen Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker unter massiven Druck gesetzt, war er in Luxemburg doch selbst lange Regierungschef. Ein internationales Journalistennetzwerk hatte enthüllt, dass hunderte internationale Konzerne mit den Luxemburger Behörden Sondervereinbarungen getroffen und so in ihren Heimatländern Milliarden Steuern gespart haben. Juncker kündigte daraufhin eine Initiative für den automatischen Austausch verbindlicher Steuerentscheide an, den sein Wirtschafts- und Währungskommissar Pierre Moscovici in den kommenden Monaten bis zum Sommer ausarbeiten soll. (ag./red.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.12.2014)

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