EU: Mühsamer Weg von bürokratischer zu politischer Institution

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Erstmals gab es bei einer Europawahl Spitzenkandidaten. Jean-Claude Juncker treibt nun die Politisierung der Kommission voran.

Wien. In den Brüsseler Couloirs ging es hektisch zu in diesem auslaufenden Jahr 2014, wenngleich die vergangenen zwölf Monate – aufgrund der Europawahl im Frühjahr und dem Personalwechsel in allen wichtigen EU-Topjobs – nicht unbedingt von nennenswerten politischen Entscheidungen geprägt waren. Dennoch markiert die Zahl 2014 für viele einen Wendepunkt in der Geschichte der Europäischen Union: Erstmals wurden bei einer Wahl europaweit Menschen und Themen „angeboten“, diskutierten die Spitzenkandidaten der großen Parlamentsfraktionen in Fernsehdebatten über Themen wie das umstrittene EU/USA-Freihandelsabkommen oder den Steuerwettbewerb in der Union.

Der siegreiche Kandidat, so hieß es vor der Wahl am 25. Mai, werde als Nachfolger von José Manuel Barroso zum neuen Präsidenten der Europäischen Kommission ernannt werden. Bisher hatten stets die Staats- und Regierungschefs untereinander ausgemacht, wer dieses wichtige Amt übernimmt. Einige – darunter der britische Premier David Cameron – wollten sich diese Entscheidung auch diesmal nicht abnehmen lassen. Am Ende aber wurde doch der Luxemburger Jean-Claude Juncker, Spitzenkandidat der stimmenstärksten Europäischen Volkspartei (EVP), zum neuen EU-Präsidenten ernannt. Über zwei andere Spitzenjobs entschied jenes traditionelles Muster, nach dem Personalentscheidungen in der EU stets getroffen werden: die Ausgewogenheit zwischen Mann und Frau, West und Ost sowie linker und rechter politischer Gesinnung. Diesmal aber spielte auch die Nähe zu Moskau in der eskalierenden Ukraine-Krise eine wichtige Rolle, weshalb der neuen EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini, der einige osteuropäische Mitgliedstaaten ihre russlandfreundliche Politik zum Vorwurf gemacht hatten, der Pole Donald Tusk als Ratspräsident gegenübergestellt wurde. Er will die Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs als erste Neuerung straffen und auf nur einen Tag verkürzen.

Image der Kommission aufpolieren

Kommissionspräsident Juncker hat indes alle Hände voll zu tun, das Image seiner Institution aufzupolieren – weg von einer rein bürokratischen Institution, hin zu einer europäischen Regierung. Der Luxemburger will weniger neue Regeln beschließen, die den Alltag der Bürger beeinflussen, dafür aber alle Anstrengungen zur Belebung der lahmenden europäischen Wirtschaft unternehmen. Sein erstes großes Projekt ist ein Investitionspaket, das insgesamt 315 Milliarden Euro in die Wirtschaft pumpen soll. Das Risiko ist groß, weil die geplante Summe nicht existiert. Sie soll mit Tricks von 21 Milliarden Euro auf diese Höhe „gehebelt“ werden. Auch die Mitgliedstaaten sollen öffentliche Mittel in den Fonds einzahlen. (aga/wb)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.12.2014)

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