Misstrauensantrag: Tschechischer Vorsitz unter Druck

Mirek Topolanek
Mirek Topolanek(c) EPA (OLIVIER HOSLET)
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Die Regierung Topolánek hat neue innenpolitische Probleme. Der sowieso schwache Rückhalt im Abgeordnetenhaus ist geschwunden. Gleichzeitig wächst die Kritik an ihrer EU-Präsidentschaft.

BRÜSSEL. Es ist ein Lostag für die tschechische Regierung: Am Dienstag muss sich der bürgerliche Premierminister Mirek Topolánek einem Misstrauensantrag der oppositionellen Sozialdemokraten (CSSD) stellen. Auf dem Prüfstand steht die gesamte Koalition aus Topoláneks bürgerlicher Partei ODS, den Christdemokraten und den Grünen. Es ist bereits der fünfte Anlauf der CSSD. Weil der sowieso schwache Rückhalt im Abgeordnetenhaus in den Vormonaten noch geschwunden ist, könnte der Misstrauensantrag diesmal durchgehen.

Für die Regierung von Mirek Topolánek kommen die neuen innenpolitischen Probleme zum schlechtesten Zeitpunkt. Denn auch in der EU wächst die Kritik an ihrer Vorsitzführung. Für den deutschen EU-Parlamentarier Martin Schulz ist die tschechische Präsidentschaft aufgrund des Existenzkampfes zu Hause ein „Totalausfall“ während der Wirtschaftskrise. Der Politikwissenschaftler Antonio Missiroli von der Brüsseler Denkfabrik European Policy Centre meint, bisher habe der „verantwortungsvolle Teil“ in der Arbeit überwogen. Die innenpolitischen Turbulenzen würden die Lage aber erschweren. Ein „Durchhalten“ der Regierung bis zum 30. Juni hält Missiroli für unabdingbar: Nur das garantiere „einigermaßen Kontinuität“.

Die tschechischen Sozialdemokraten unter Ji?í Paroubek können bei ihrem Misstrauensantrag bereits fix mit den Stimmen der Kommunisten rechnen, damit kämen sie auf 97 der 200 Abgeordnetenstimmen. Notwendig sind aber 101 Stimmen. Die beiden Parteien hoffen auf die Unterstützung von zwei früheren grünen Abgeordneten und einzelnen ODS-Mandataren. Gewinnen wollen sie diese durch das Angebot an Topolánek und Co., noch bis zum 30. Juni im Amt zu bleiben. Dann endet der tschechische EU-Ratsvorsitz.

Antieuropäische Töne

Doch schon jetzt ist der EU-Vorsitz geschwächt. Bekommt die Regierung Topolánek das Misstrauen ausgesprochen, würde das ihre Vorsitztätigkeit weiter mindern, glauben Insider. Sie rechnen damit, dass die Präsidentschaft dann bestenfalls noch business as usual wäre und die antieuropäischen Töne aus Prag immer lauter würden. Statt mit EU-Agenden wie dem gemeinsamen Kampf der Länder gegen die Wirtschaftskrise wäre Prag damit beschäftigt, innenpolitisch Stimmung zu machen. Schon bisher sei die Vorsitztätigkeit im Schatten der tschechischen Innenpolitik gestanden, heißt es in Brüssel.

Tschechien steht bei seiner EU-Aufgabe seit Beginn des Vorsitzes am 1. Jänner 2009 unter Beschuss der EU-Partner: Premier Topolánek ist es nicht gelungen, seine eigene Partei, die ODS, geschlossen auf Linie des EU-Vertrags von Lissabon zu bringen. Dieser ist in Tschechien noch immer nicht durch alle Institutionen abgesegnet. Außerdem funkt der antieuropäische Präsident Václav Klaus immer wieder dazwischen.

Zwar haben Topolánek und seine Minister während des Vorsitzes das entscheidende Wort zu sprechen. Doch die Stimmung in der tschechischen Bevölkerung kippt, das setzt die Regierung bei ihrer Arbeit in Brüssel zusätzlich unter Druck. Zu Hause hat sie im Abgeordnetenhaus nur 98 Mandatare fix hinter sich, bei Abstimmungen konnte sie zuletzt außerdem auf die Unterstützung durch einzelne frühere Sozialdemokraten und freie Abgeordnete zählen. Doch der Rückhalt schwindet, auch innerhalb der Premierspartei ODS.

AUF EINEN BLICK

Bereits zum fünften Mal seit 2007 stellen die tschechischen Sozialdemokraten einen Misstrauensantrag gegen die Regierung aus Bürgerlichen, Christdemokraten und Grünen, die keine Mehrheit im Abgeordnetenhaus hat.

Geschwächt haben den bürgerlichen Premierminister Topolánek parteiinterne Konflikte, etwa um den EU-Reformvertrag.

Bis zum Ende des EU-Vorsitzes am 30. Juni könnte die Regierung bleiben, bieten die Oppositionellen an. EU-Insider befürchten dennoch einen geschwächten Vorsitz.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.03.2009)

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