Paris und Berlin beraten Änderung von TTIP

Matthias Fekl
Matthias Fekl (c) imago/PanoramiC (imago stock&people)
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EU-US-Freihandelsabkommen. Der vorgesehene Investorenschutz mit privaten Schiedsgerichten droht am wachsenden Widerstand zu scheitern. Das Verhandlungsmandat würde Spielraum für einen Verzicht oder Alternativen enthalten.

Wien. Die umstrittenen Investorenschutzklauseln im geplanten Freihandelsabkommen mit den USA (TTIP) wackeln zunehmend. Nach einer öffentlichen Befragung mit 97 Prozent kritischen Antworten – die „Presse“ berichtete – wird in den größten EU-Ländern, Deutschland und Frankreich, über Alternativen beraten. Das berichtet die Webseite „EurActiv“. So sagte Matthias Fekl, Staatssekretär für Außenhandel in Paris, dass es „privaten Tribunalen auf der Gehaltsliste multinationaler Unternehmen nicht erlaubt“ werden dürfe, die Politik souveräner Staaten zu bestimmen. Deutschland, so Fekl weiter, sei der französischen Position sehr nahe. Gemeinsam wolle man nun „genaue Vorschläge“ erarbeiten. Zuletzt hatte die deutsche Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) die vorgesehenen Streitschlichtungsverfahren im Handelsabkommen mit den USA für überflüssig erklärt.

Die Investorenschutzklausel soll europäische Unternehmen absichern, die in den USA investieren und US-Unternehmen in der EU. Umstritten ist sie, weil sie auch Klagemöglichkeiten gegen verschärfte Rahmenbedingungen – etwa durch strengere Umweltregeln – eines beteiligten Staates umfassen soll. Diese Klagemöglichkeit ist nach bisherigem Stand nicht vor staatlichen Gerichten, sondern vor privaten Schiedsgerichten vorgesehen. Kritiker sehen darin eine Unterwanderung des Rechtsstaats.

Auch die größte Fraktion im EU-Parlament, die Europäische Volkspartei (EVP), spricht sich mittlerweile für eine „Weiterentwicklung“ der Investorenschutzklauseln aus, wie der zuständige Abgeordnete Daniel Caspary (CDU) im Gespräch mit der „Presse“ erklärt. Eine Lösungsmöglichkeit könne etwa sein, „dass Umwelt- und Sozialgesetzgebung nicht beklagt werden kann“, so Caspary. Grundsätzlich brauche man die Klauseln zwar im Freihandelsabkommen – aber eben in reformierter Form. Ob die USA das auch so sehen, würden ohnehin die Verhandlungen zeigen.

Die EVP will erst nach einem fertig ausverhandelten Vertragstext darüber entscheiden, ob sie dem Abkommen zustimmt oder nicht. Wachsenden Widerstand gegen den Investorenschutz gibt es von den Sozialdemokraten und den Grünen im Europaparlament. Sie drängen auf einen völligen Verzicht der Klausel, die weiterhin von Unternehmerverbänden eingefordert wird.

Für einen möglichen Kompromiss zeichnen sich mehrere Optionen ab. Am wahrscheinlichsten ist eine Weiterentwicklung des Systems, das heute bereits in vielen bilateralen Freihandelsabkommen enthalten ist. So könnten die Entscheidungen eines Schiedsgerichts etwa durch ein Berufungssystem abgefedert oder die Richter im Investor-Staat-Streitschlichtungsverfahren von nationalen Gerichten rekrutiert werden. Mehr Transparenz im Verfahren könnte außerdem zu einer erhöhten Akzeptanz beim Bürger führen, hofft man in Berlin und Paris.

„Zufriedenstellende Lösung“ notwendig

Vertreter der EU-Kommission behaupteten zwar auf Anfrage der „Presse“, dass das von den Mitgliedstaaten vereinbarte Verhandlungsmandat den Spielraum für Alternativen einschränke. „Die EU-Kommission kann von sich aus keine Änderung vornehmen.“ Bei einer Analyse des mittlerweile öffentlichen Mandats wird allerdings deutlich, dass es ausreichend Flexibilität enthält. Kommt keine befriedigende Lösung in den Verhandlungen zustande, ist laut dem Mandat sogar ein Verzicht auf die Klausel möglich. So heißt es darin: „Nach vorheriger Konsultation der Mitgliedstaaten und gemäß den EU-Verträgen wird die Einbeziehung des Investitionsschutzes davon abhängen, ob eine zufriedenstellende Lösung ... erzielt wird.“

Im Mandat, dem auch Österreichs Regierung zugestimmt hat, wird zwar der Investorenschutz bisheriger bilateraler Abkommen als Vorbild herangezogen. Ausdrücklich wird aber darauf verwiesen, dass die Klausel einen „Schutz vor offensichtlich ungerechtfertigten oder leichtfertigen Klagen“ enthalten müsse. Die USA und die EU könnten im Gegensatz zur bisherigen Praxis eine neue Form der Schiedsgerichtsbarkeit einrichten, die an staatliches Recht gebunden ist. Im Mandat heißt es: „...das geeignete Verhältnis zwischen Streitbeilegung zwischen Investoren und Staat und innerstaatlichen Rechtsmitteln sollte geprüft werden.“

AUF EINEN BLICK

Investorenschutz. Der im Handelsabkommen zwischen der EU und den USA (TTIP) vorgesehene Schutz von Investoren wird nun auch in Paris und Berlin in Frage gestellt. Die Suche nach Alternativen wurde von der EU-Kommission bisher mit Hinweis auf das erteilte Verhandlungsmandat zurückgewiesen. Doch eine Analyse des Mandats, dem auch Österreich zugestimmt hat, zeigt ausreichend Spielraum für einen Verzicht oder für eine Weiterentwicklung des Investorenschutzes.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.01.2015)

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