Griechenland: Tsipras geht auf Konfrontationskurs

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epaselect GREECE NEW GOVERNMENT(c) APA/EPA/ORESTIS PANAGIOTOU (ORESTIS PANAGIOTOU)
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Die neue Regierung will im Eiltempo Privatisierungen und Kündigungen rückgängig machen.

Athen. So hatte sich der neue griechische Außenminister seine Amtsübernahme wahrscheinlich nicht vorgestellt: Nikos Kotzias vom Radikalen Linksbündnis (Syriza) war gleich bei seinem ersten öffentlichen Auftritt als Chefdiplomat mit scharfem Widerspruch konfrontiert – von Seiten seines Vorgängers Evangelos Venizelos, Chef der sozialistischen Pasok. Kotzias deutete im Zusammenhang mit den möglichen neuen Sanktionen gegen Russland an, dass die europäischen Partner Griechenland übergehen wollten und erklärte, dass er nicht zulassen werde, dass das Land im „Namen der Schulden“ Hoheitsrechte abgebe. Da ergriff Venizelos sichtlich verärgert das Wort und stellte kategorisch fest, dass das Land „nicht eine Minute lang“ von seinen Partnern wegen seiner Schulden in außen- oder sicherheitspolitischen Belangen unter Druck gesetzt wurde. Unabhängig von den persönlichen Misstönen stellte Kotzias fest, dass die griechische Außenpolitik in Zukunft verstärkt mit Mächten wie China und Russland zusammenarbeiten werde.

Erste Sitzung der Minister

Die anderen Ministerien wurden weit harmonischer übergeben – aber nach wie vor im Eilzugstempo, das die Machtübernahme seit dem Wahlsieg von Syriza am Sonntag prägt. Auch die erste Sitzung des neuen Ministerrates der Regierung Tsipras wurde gestern bereits abgehalten. Mit besonderem Interesse verfolgte man die Erklärungen des neuen Finanzministers, Gianis Varoufakis, bei seinem Amtsantritt. Er stellte fest, dass Griechenland unter allen Umständen in der Euro-Zone bleiben werde, machte aber gleichzeitig klar, dass die verfehlte Sparpolitik der vergangenen Jahre Griechenlands Wirtschaft in eine Abwärtsspirale getrieben habe. Er erteilte der „Politik des Sparens“ eine Absage, stellte aber fest, dass die Griechen sich an eine „sparsame Lebensweise“ werden gewöhnen müssen.

Die Märkte reagierten am Dienstag negativ auf die ersten Auftritte der neuen Regierung: Der Kurs der Athener Börse fiel um neun Prozent. Ursache dafür war einerseits der Anstieg der Zinsen auf griechische Anleihen, die zehnjährigen Anleihen etwa stiegen auf 10,4 Prozent. Andererseits aber, so Kommentatoren, waren die Verluste auf Aussagen neuer Minister über die Rücknahme von geplanten Privatisierungen zurückzuführen. Kein Wunder: Wirtschaftsminister Giorgos Stathakis stellte explizit fest, dass er die Deregulierung der Märkte, Privatisierungen und Detailregelungen zum Handel – also die Liberalisierung der Öffnungszeiten der Geschäfte – zurücknehmen will. Konkret war zu hören, dass die Privatisierung des Hafens von Piräus und die Zerschlagung der staatlichen Stromgesellschaft rückgängig gemacht werden sollen.

Umweltorganisation verärgert

Gegen die Eingliederung des Umweltministeriums in das neue Superministerium des „produktiven Wiederaufbaus“ wandten sich die führenden Umweltorganisationen des Landes. Syriza hat sich zwar allgemein für erneuerbaren Energien ausgesprochen, konkrete Details seines Programms sind aber noch nicht am Tisch. Auch die Entlassung von bislang 10.000 Beamten will Syriza zurücknehmen – das widerspricht den vertraglichen Abmachungen mit der Gläubiger-Troika offen.

Gegen Ende der Woche treffen die ersten Gäste aus Europa ein: Am Donnerstag wird der Präsident des Europäischen Parlaments, Martin Schulz, erwartet, für Freitag hat sich Euro-Gruppen-Vorsitzender Jeroen Dijsselbloem für erste Sondierungsgespräche in Athen angesagt.

Andere haben ihre Schlüsse bereits gezogen: Stavros Theodorakis, der Chef der griechischen Partei Potami (Fluss), die als potenzieller Koalitionspartner von Syriza im Gespräch war, kritisierte am Dienstag die neue Regierung scharf. Ziel seiner Attacken war einerseits der neue Verteidigungsminister Panos Kammenos, Chef der „Unabhängigen Griechen“ (Anel), dem Juniorpartner von Syriza in der Regierungskoalition, dessen abstruse Verschwörungstheorien und eurokritischen Aussagen der vergangenen Jahre er in Erinnerung rief. Vor allem aber stellen für ihn die ersten Ankündigungen der Regierung einen „Rückschritt in Richtung der Fehler der Vergangenheit“ dar.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.01.2015)

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