Die Europäische Zentralbank will Athen nicht mit einer Zwischenfinanzierung bis Sommer aushelfen. Premier Alexis Tsipras muss sich mit Griechenlands Gläubigern bis Monatsende einigen.
Brüssel. Die Freude war von kurzer Dauer. Nur wenige Stunden nachdem Finanzminister Gianis Varoufakis einen Kompromissvorschlag zur Umstrukturierung der griechischen Verbindlichkeiten präsentiert hatte, erreichte Athen eine Hiobsbotschaft aus Frankfurt. Die Europäische Zentralbank sei nicht bereit, die populistische Links-rechts-Regierung von Premierminister Alexis Tsipras mit einem finanziellen Vertrauensvorschuss auszustatten, vertraute ein hochrangiges EZB-Mitglied der „Financial Times“ an. Tsipras' Wunsch, in den Verhandlungen mit den Gläubigern Griechenlands Zeit zu gewinnen, scheint sich damit zerschlagen zu haben.
Insgesamt 240 Mrd. Euro haben internationale Helfer den Griechen geliehen. Das letzte, 172 Mrd. Euro schwere Hilfsprogramm der sogenannten Troika (EU-Kommission, EZB, IWF) läuft Ende Februar aus – und eine Nachfolgeregelung wird benötigt, denn Griechenland kann sich im Alleingang nicht auf den internationalen Finanzmärkten Geld beschaffen. Das Problem ist nur, dass Tsipras die mit weiteren Hilfen verbundenen Spar- und Reformauflagen ablehnt und die griechische Schuldenlast im Einvernehmen mit den Gläubigern reduzieren will.
Athens Plan sah vor, dass die EZB den griechischen Haushalt bis Sommer mit zehn Mrd. Euro zwischenfinanziert (mittels frischer Anleihen, die an die Notenbank weitergereicht werden). Genau dieses Spiel will die EZB gemäß „Financial Times“ aber nicht mitspielen – und nur dann aushelfen, wenn es eine Übereinkunft über Schulden und Reformen gibt. Griechenland und seine Gläubiger müssen sich somit bis Monatsende einigen. Tun sie das nicht, steht Athen ohne finanzielle Absicherung da, was vor allem für die griechischen Banken ein Problem ist – denn ohne die EZB dürfte ihnen bald das Geld ausgehen (siehe Seite 17).
Wenig gefruchtet haben auch die griechischen Bemühungen, Europas Zahlmeisterin Angela Merkel politisch zu isolieren. In Rom, wo Tsipras am Dienstag bei seinem italienischen Kollegen Matteo Renzi weilte, gab es aufmunternde Worte, aber keine konkreten Zusagen. Auch in Brüssel, wo der griechische Premier gestern von Kommissionschef Jean-Claude Juncker, Ratspräsident Donald Tusk und EU-Parlamentspräsident Martin Schulz begrüßt wurde, war der Empfang herzlich und die Gespräche „offen und ehrlich“, wie Tusk formulierte – aber ohne Substanz. Eine ähnliche Erfahrung machte Tsipras in Paris, wo er am Nachmittag bei Staatschef François Hollande vorsprach (siehe Artikel rechts).
Achse Paris–Berlin–Rom
Dass Tsipras auf Granit beißt, ist wenig verwunderlich, denn Merkel hat sich mit Hollande und Renzi abgesprochen. Man habe eine einheitliche Position, sagte die Kanzlerin gestern in Berlin. Für diese Einheitsfront gibt es nach Ansicht von Famke Krumbmüller vom Thinktank Eurasia Group mehrere Gründe: Erstens sind sowohl Frankreich als auch Italien Gläubiger Griechenlands – und beim Geld hört die Freundschaft bekanntlich auf. Zweitens wollen weder Paris noch Rom zur südlichen Peripherie der Union gezählt werden. Und drittens würden vor allem die französischen und italienischen Populisten von einem Richtungswechsel profitieren. Krumbmüllers Fazit: Nicht Merkel ist isoliert, sondern Tsipras.
Doch die Hoffnung stirbt zuletzt: Am heutigen Donnerstag wird Finanzminister Varoufakis in Berlin erwartet. Europa brauche einen Merkel-Plan, sagte er in Anspielung auf den Marshallplan zum Wiederaufbau Westeuropas gegenüber der „Zeit“. Ob sein deutscher Kollege Wolfgang Schäuble das dafür benötigte Kleingeld zur Verfügung stellen wird, ist allerdings fraglich.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.02.2015)