EU: Verhandlungschaos mit Athen sorgt für Ärger

Tourists look at the temple of Parthenon atop the Acropolis hill in Athens
Tourists look at the temple of Parthenon atop the Acropolis hill in Athens(c) REUTERS (YANNIS BEHRAKIS)
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Ein für Mittwoch angekündigtes, mit Spannung erwartetes Schreiben aus Athen wird nun doch erst einen Tag später verschickt. Indes soll sich Juncker in den Streit zwischen Eurogruppe und Griechenland eingemischt haben.

Brüssel. Ist die Verwirrung rund um den griechischen Schuldenstreit eine bewusst gewählte Vernebelungstaktik der neuen, links-rechten Regierung um Alexis Tsipras – oder zeugt sie von der schlichten Überforderung, aus der verfahrenen Situation ohne Gesichtsverlust herauszukommen? Die jüngsten Entwicklungen rund um ein für Mittwoch angekündigtes Schreiben aus Athen, das den offiziellen Antrag um eine Verlängerung des Kreditprogramms umfassen sollte, lassen eher auf erstere These schließen: Im Lauf des Tages wurde über „informierte Regierungskreise“ lanciert, dass der Brief nun doch erst Donnerstagfrüh verschickt werde.

Was konkret das ominöse Schreiben beinhalten soll und ob sich Griechenland nun doch dazu bereit erklären will, die Konditionen der internationalen Geldgeber zu akzeptieren – darüber herrschte gestern also weiter Rätselraten. Seit Tagen schon halten die Protagonisten in Athen ihre Brüsseler Verhandlungspartner mit nebulösen, sich teilweise widersprechenden Aussagen auf Trab. Vonseiten der übrigen 18 Euroländer heißt es, die benötigten Finanzhilfen würden nur im Gegenzug zu konkreten Reformen und Sparmaßnahmen gewährt. Eine Bedingung, die Tsipras und auch sein Finanzminister, Yanis Varoufakis, bisher klar abgelehnt haben. Varoufakis scheiterte jedoch daran, wenigstens einen Teil der Eurogruppe – jenem Gremium, das über die Hilfsprogramme entscheidet – auf seine Seite zu ziehen.

Kompromisspapier der Kommission?

Deshalb, so wird kolportiert, habe er bei der EU-Kommission sein Glück versucht. Stimmt die Version des griechischen Finanzministers, dürfte bei dem zweiten geplatzten Treffen der Eurogruppe am vergangenen Montag nicht nur das Vorgehen Griechenlands, sondern auch das der Kommission für reichlich Zündstoff gesorgt haben: Der für Wirtschaft und Finanzen zuständige sozialistische Kommissar, Pierre Moscovici, soll parallel zu einem Vorschlag der Euro-Finanzminister ein Kompromisspapier ausgearbeitet haben, das Varoufakis auch akzeptiert habe – im Gegensatz zu dem von Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem vorgelegten Dokument. Deutschlands Finanzminister, Wolfgang Schäuble, dementiert diese Fassung zwar. Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ hingegen will wissen, dass nicht Moscovici, sondern Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker selbst hinter dem Kompromissvorschlag steckte. Er soll, so die „FAZ“, an der Eurogruppe vorbei mit Athen verhandelt und damit den Prozess „ziemlich in den Sand gesetzt haben“. Dies hat das Blatt aus dem Umfeld von Dijsselbloem erfahren; in seiner Funktion der direkte Nachfolger Junckers. Dass die beiden nicht die besten Freunde sind, ist in Brüssel hinlänglich bekannt: So hatte der Niederländer einst in einer Fernsehshow wenig charmant über Junckers Trinkgewohnheiten geätzt.

Von einer Verhandlerrolle will die Kommission offiziell trotzdem nichts wissen. Die Behörde greife nur als Makler in die Gespräche ein, heißt es – und ein solcher dürfte tatsächlich nötig sein. Denn erschwert wird der Disput zwischen Griechenland und seinen Gläubigern dadurch, dass mit der Europäischen Zentralbank (EZB) ein weiterer Beteiligter mit am Tisch sitzt. Die EZB ist auf drei Ebenen involviert: erstens als Teil der Troika der internationalen Geldgeber (die auf griechischen Wunsch nicht mehr Troika, sondern „die Institutionen“ heißt), zweitens als Aufsichtsorgan über die griechischen Banken, und drittens, weil sie ebendiese Banken mit benötigter Liquidität versorgt.

Verlängerung der Notkredite

Mittwoch Nachmittag gab Frankfurt grünes Licht für die Weiterführung dieser Liquiditätszufuhr (Emergency Liquidity Assistance, ELA). Die EZB erlaubt damit der griechischen Zentralbank, die Finanzinstitute des Landes mit Geld in einem Gesamtumfang von bis zu 68,3 Milliarden Euro zu versorgen. ELA ist dringend notwendig, denn immer mehr Griechen heben ihr Erspartes ab und transferieren es ins Ausland (bzw. unter die Matratze), um vor einem möglichen Rauswurf Griechenlands aus der Eurozone geschützt zu sein. Den Banken des Landes geht also langsam das Geld aus – seit November mussten sie 20 Milliarden Euro auszahlen. Experten von JPMorgan schätzen, dass die vorhandenen Mittel noch für maximal 14 Wochen reichen. Nachdem kein Investor griechischen Instituten momentan Geld leihen will, sind sie auf die Notenbank und auf ELA angewiesen.

Die Krux: Die EZB darf die Liquiditätszufuhr nur so lang aufrechterhalten, solang sie davon ausgeht, dass Griechenland solvent ist – und das ist es unter jetzigen Umständen nur, wenn es ein internationales Hilfsprogramm annimmt. Macht Athen dies nicht, müsste die EZB nolens volens den Geldhahn zudrehen – was den Kollaps der Banken und das Ausscheiden aus der Eurozone zur Folge hätte. Vor diesem Hintergrund gewinnt die gestrige Posse um ein mögliches griechisches Ansuchen um die Verlängerung des Hilfsprogramms eine neue Bedeutung: Solang Athen nämlich den Anschein erweckt, an einer Fortsetzung interessiert zu sein, so lang wird die EZB wohl nicht die Liquiditäts-Notbremse ziehen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.02.2015)

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