Szenario Grexit: Wie Athen den Euro verlieren könnte

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Die EU-Verträge sehen lediglich das Ausscheiden eines Mitglieds aus der EU selbst vor – doch dieser Prozess würde mindestens zwei Jahre dauern.

Brüssel. In der Auseinandersetzung um Hilfskredite für Griechenland steht eine Drohung weiterhin im Raum: die eines Ausscheidens Griechenlands aus der Eurozone. Wenn nicht jetzt, so nach dem Auslaufen einer eventuell doch noch realisierten Überbrückungshilfe im Herbst. Dann könnte es nämlich noch schwieriger werden, eine nachhaltige Lösung für Athen zu finden.

Selbst der deutsche Finanzminister, Wolfgang Schäuble, der zum größten Widersacher der populistischen Links-rechts-Regierung von Ministerpräsident Alexis Tsipras avanciert ist, wollte das Wort Grexit bis dato nicht in den Mund nehmen. Mit ein Grund für diese Zurückhaltung dürfte die Tatsache sein, dass der Ausstieg aus der Währungsunion rechtlich und praktisch viel schwieriger ist, als sich das viele seiner Proponenten vorstellen können. Denn die Eurozone wurde von ihren Schöpfern – und dazu zählt auch Schäuble – für die Ewigkeit gemacht. Soll heißen: Einen direkten Weg hinaus gibt es nicht – sehr wohl aber einige hürdenreiche Umwege. Jörg Haas vom Jacques-Delors-Institut in Berlin hat sich die Mühe gemacht, in einer zu Wochenbeginn publizierten Studie drei potenzielle Notausgänge aus der Eurozone zu analysieren.

1 Antío Evró – Lebe wohl, Euro.

Griechenland verlässt selbst die Eurozone.

Die rechtlich am wenigsten komplizierte Lösung wäre vermutlich, wenn Athen von sich aus die Eurozone verlassen würde. Das Problem dabei ist nur, dass es dafür keine direkte rechtliche Handhabe gibt. Gemäß dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union hat ein EU-Mitglied lediglich die Möglichkeit, die EU zu verlassen, nicht aber die Eurozone. Dieser Ausgang wird im Artikel 50 des Vertrags geregelt. Allerdings gibt es zwei Haken: Erstens muss der EU-Austritt einvernehmlich erfolgen – der Rest der Union kann die Griechen nicht einfach so hinausdrängen. Und zweitens kann der Austritt erst nach einer zweijährigen Übergangsphase erfolgen – angesichts der zu erwartenden Turbulenzen auf dem griechischen Finanzmarkt keine besonders erfreuliche Aussicht.

Angesichts dieser Problematik müsste Athen wohl oder übel einen „schmutzigen“ Euroaustritt anpeilen – also zuerst eine Parallelwährung einführen und sich erst dann den juristischen Konsequenzen stellen. Ein rechtliches Fundament für diesen Schritt wäre theoretisch vorhanden: Das Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge aus dem Jahr 1969 sieht das Ausscheiden eines Staates aus einer Abmachung bei einer „grundlegenden Änderung der Umstände“ vor – ob dieser Passus des völkerrechtlichen Vertrags auch auf die Eurozone zutrifft, ist unter Juristen aber umstritten.

Doch selbst dieser Weg wäre mit vielen Komplikationen verbunden – beispielsweise der Frage, wie Griechenland mit zwei Parallelwährungen funktionieren könnte. Denn der Euro würde wohl auf absehbare Zeit eine legale Währung bleiben.

2 Game over. Der Eurozone reicht es,

die Griechen werden hinauskomplimentiert.

Dieses Szenario würde darauf hinauslaufen, die Griechen durch äußeren Druck dazu zu zwingen, eine eigene Währung einzuführen. Ausgeübt werden müsste dieser Druck durch die Europäische Zentralbank – und zwar, indem sie die Liquiditätszufuhr für griechische Banken unterbricht. Athen müsste dann nolens volens Kapitalkontrollen einführen und eigenes Geld drucken, sonst würden die Institute aus Geldmangel kollabieren.

Neben den rechtlichen Problemen, die im ersten Szenario skizziert wurden, hätte die EU in diesem Fall allerdings noch mit einem weiteren Problem zu kämpfen: Das über diese Behandlung zweifellos alles andere als erfreute Griechenland wäre nach wie vor Mitglied der EU – und könnte als Rache von seinem Vetorecht Gebrauch machen, denn viele Entscheidungen müssen in Brüssel einstimmig gefällt werden. Artikel 7 des EU-Vertrags sieht zwar den Entzug der Stimmrechte eines Mitglieds vor – allerdings nur dann, wenn dieses Mitglied „fundamentale Werte“ der EU verletzt, was Athen in diesem Fall wohl schwer nachzuweisen wäre.

3 Ein Hoppala. Griechenland verliert den Euro durch einen „Betriebsunfall“.

Je länger der Poker zwischen Griechenland und seinen Gläubigern andauert, desto größer die Gefahr eines Runs auf griechische Banken. Tritt dieser Fall ein, müsste Athen die Verbindungen zum EU-Kapitalmarkt kappen – ähnlich wie Zypern im Jahr 2013. Bei Nikosia war der Sachverhalt allerdings klar: Alle Beteiligten wollten damals die Mittelmeerinsel in der Eurozone halten. Bei Griechenland ist die Situation etwas anders, deshalb könnte ein Hineinstolpern in Kapitalkontrollen dieses Mal zum fundamentalen Bruch zwischen Athen und Brüssel führen – und zwar dann, wenn es keine Einigung über ein weiteres Hilfsprogramm gibt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.02.2015)

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