Hilfsprogramm: Was Griechenland noch erwarten darf

(c) Bloomberg (Kostas Tsironis)
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Die Europartner müssen Athens Reformliste noch absegnen. Danach fließt wieder Geld nach Athen. Doch im Juni dürfte schon wieder über neue Maßnahmen verhandelt werden.

Brüssel. Die griechische Regierung wollte am Montag ihre konkreten Reformvorschläge an die Europartner übermitteln. Athen will laut ersten Informationen selbst sieben Milliarden Euro für seinen Haushalt auftreiben. Allerdings nicht wie bisher durch Kürzung von Löhnen, Pensionen und Sozialleistungen sowie durch Privatisierungen, sondern vor allem durch Mehreinnahmen bei Steuern, durch Kampf gegen Steuerhinterziehung und ähnliche Maßnahmen. Über die Reformliste wurde am Montag zwischen Brüssel und Athen noch gerungen. Erst heute wollen die Finanzminister der 18 Europartner in einer Telefonkonferenz das Paket absegnen. Die Vorentscheidung trifft am Vormittag eine Runde aus Vertretern der Geldgeber, darunter auch des Internationalen Währungsfonds (IWF).

Was darf Athen im Gegenzug erwarten? Zum einen kann es dieses Jahr den geplanten Primärüberschuss im Haushalt von 4,5 Prozent unterschreiten. Diese Zusage der Eurofinanzminister vom vergangenen Freitag gibt der Linksregierung unter Alexis Tsipras einmalig einen finanziellen Handlungsspielraum von bis zu fünf Milliarden Euro. Außerdem wird die letzte Tranche aus dem Hilfsprogramm in der Höhe von 1,8 Milliarden Euro an Athen ausbezahlt. Weiters darf Griechenland mit 1,9 Milliarden Euro an Zinsgewinnen der EZB durch griechische Anleihen rechnen. Außerdem ist noch eine Tranche von 3,5 Milliarden Euro vom Internationalen Währungsfonds (IWF) offen.

Das gibt zusammen einen relativ großen finanziellen Polster. Er sollte ausreichen, um das Land für weitere vier Monate liquid zu halten, selbst wenn im Gegenzug Kredite etwa an den IWF zurückgezahlt werden müssen und kurzfristige Anleihen fällig werden. Nicht nur der Staatsbankrott, sondern auch der Zusammenbruch des Bankensystems wäre damit vorerst aufgehalten. Denn gleichzeitig stehen 10,9 Milliarden Euro bereit, um die Stabilisierung der Finanzinstitute zu garantieren. Dieses Geld aus der Europäischen Zentralbank (EZB) soll das Vertrauen der Bankkunden wiederherstellen.

Banken müssen liquid gehalten werden

Den griechischen Banken ist in den vergangenen Wochen sukzessive das Geld ausgegangen. Denn viele Griechen haben Sparguthaben abgehoben, um sie privat zu horten oder ins Ausland zu transferieren. Laut Reuters wurde einen Tag vor den Verhandlungen vergangene Woche in Brüssel eine Milliarde Euro abgehoben. Schätzungen der US-Bank JPMorgan beziffern den Kapitalabfluss der vergangenen Woche auf drei Milliarden Euro, nach zwei Milliarden Euro in der Woche davor. Bei diesem Tempo würde den Banken innerhalb von acht Wochen das Geld völlig ausgehen. Seit Anfang Dezember sind bereits an die 25 Mrd. Euro abgeflossen.

Doch selbst wenn Griechenland bis Juni gerettet ist: Bis zum Sommer muss über ein nachhaltiges Programm verhandelt werden. Die griechische Regierung ist mit dem Vorsatz angetreten, „kein weiteres Geld“ von den Europartnern zu benötigen. Allerdings ist sie von einem Schuldenschnitt ausgegangen, den ihr Deutschland und weitere Euromitgliedsländer verweigern. Deshalb könnte mit Auslaufen des verlängerten Hilfsprogramms im Juni ein weiterer milliardenschwerer Hilfskredit auf der Tagesordnung stehen.

Angedacht war einst eine vorbeugende Kreditlinie in Höhe von elf Milliarden Euro. Sie sollte eigentlich dazu dienen, das Land abzusichern, wenn es versuchen sollte, sich wieder allein über die Märkte zu finanzieren. Doch könnte dies auch in weitere Hilfskredite umgewandelt werden. Allerdings gilt für diese Finanzhilfe, was auch für alle Rettungsgelder in der Vergangenheit gegolten hat: Die Spar- und Reformauflagen müssen erfüllt werden.

IWF-Programm läuft noch bis 2016

Das IWF-Programm läuft im Gegensatz zu den Hilfen aus dem Euro-Rettungsschirm EFSF noch bis 2016. Doch auch dessen Auszahlung ist an weitere Reformverpflichtungen durch die griechische Regierung gebunden. Um an die restlichen rund fünf Milliarden Euro an günstigen Krediten zu gelangen, müsste sich Athen also im Juni zu weiteren Zugeständnissen verpflichten. Der IWF hatte seine Zahlungen an Athen nach der Neuwahl im Jänner vorübergehend gestoppt und an eine Vereinbarung mit den Europartnern über weitere Reformvorhaben geknüpft. Zuletzt war über einen Ausstieg des IWF aus der Griechenland-Hilfe spekuliert worden.

Das Instrumentarium für eine weitere Hilfe an Griechenland abseits neuer Hilfskredite ist beschränkt. Eine Streckung der Laufzeit der Kredite ist derzeit kein Thema, weil die Kredite aus dem ersten Rettungspaket sowieso erst ab 2020 und jene aus dem zweiten Hilfspaket erst ab 2023 zurückgezahlt werden müssen.

Davor dürften zahlreiche Staatsanleihen fällig werden, die von der EZB und den Europartnern gehalten werden. Die griechische Regierung will diese Anleihen in „Ewigkeitsbonds“ verwandeln, beziehungsweise versucht sie, die Rückzahlung an wirtschaftliche Erfolge zu knüpfen. Beides ist wenig realistisch. Die EZB hat mit dem Ankauf von Staatsanleihen eines Krisenlandes bereits ihr Mandat ausgereizt. Die Umwandlung in Langzeitanleihen oder gar ein Verzicht auf die Tilgung käme einer indirekten Staatsfinanzierung gleich. (wb)

SO GEHT ES WEITER

Heute um 15 Uhr sollen die Finanzminister der Euro-Gruppe der Verlängerung des Rettungsprogramms für Griechenland in einer Telefonkonferenz endgültig zustimmen. Eine Vorentscheidung dürfte aber schon am Vormittag durch die ehemalige Troika aus EZB, IWF und EU-Kommission fallen.

27. Februar: An diesem Tag wird der deutsche Bundestag darüber abstimmen, ob das Hilfsprogramm um weitere vier Monate verlängert wird. 28. Februar: An diesem Tag läuft das aktuelle Hilfsprogramm der Europäer aus. Wenn alles glattgeht, wird es bis zum 30. Juni verlängert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.02.2015)

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