Studie: Britische Austrittsdynamik verliert an Kraft

(c) Reuters (PAUL HACKETT)
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Der britische Thinktank Open Europe schätzt die Gefahr eines Ausscheidens Großbritanniens aus der EU nur noch auf 17 Prozent ein. Entscheidende Voraussetzung sei eine Reform der heutigen Union.

London/Wien. „Sowohl angesichts der europäischen als auch der britischen politischen Entwicklung sehen wir die Wahrscheinlichkeit, dass Großbritannien in der nächsten Legislaturperiode die EU verlässt, bei 17 Prozent.“ Zu diesem Schluss kommt eine neue Studie des britischen Thinktanks Open Europe. In die Berechnung sind sowohl letzte Umfragen zur EU als auch Prognosen über künftige Regierungskonstellationen in London nach den Unterhauswahlen am 7. Mai eingeflossen.

Diese Einschätzung bedeutet freilich nicht, dass sich die Zufriedenheit der Briten mit der EU plötzlich erheblich verbessert hätte. Laut Umfragen von Open Europe würden derzeit 41 Prozent der Wahlberechtigten die EU in ihrer bisherigen Form lieber verlassen. 37 Prozent sind für einen Verbleib. Der entscheidende Faktor wird aber laut der Studie sein, ob sich in Brüssel etwas Richtung Reformen bewegt. Denn eine reformierte EU würde dann nur rund ein Drittel der Briten (32 %) verlassen wollen. 47 Prozent wären in diesem Fall für einen Verbleib. Die Studie geht allerdings nicht darauf ein, welche Reformen dies sein müssten.

Dass die britische Austrittsdynamik an Kraft verliert, hängt auch mit der sich abzeichnenden politischen Entwicklung in Großbritannien zusammen. Denn derzeit ist trotz einer etwas verbesserten Stimmung für die regierenden Konservativen nicht davon auszugehen, dass die Tories unter Premierminister David Cameron künftig allein regieren können. Nur für diesen Fall würde ein In-out-Referendum mit Sicherheit abgehalten. Müssten die Tories neuerlich mit den Liberalen koalieren, würde laut Open Europe die Chance auf ein Referendum auf 85 Prozent sinken. Schafft Labour die Mehrheit und wäre seinerseits auf einen Koalitionspartner – z. B. die Schottische Unabhängigkeitspartei oder die Liberalen – angewiesen, läge die Wahrscheinlichkeit eines Referendums gar nur noch bei fünf Prozent. Labour hat sich zwiespältig zur Abhaltung eines Referendums über die Zukunft in der EU geäußert. Die Liberalen sind eine europafreundliche Partei und waren stets gegen die Gefährdung der Mitgliedschaft in der Union.

Wahlausgang völlig offen

Der Wahlausgang ist noch völlig offen. Laut einer jüngsten ICM-Umfrage des „Guardian“ liegen die Tories derzeit in der Wählergunst bei 36 Prozent, Labour kommt auf 32 Prozent. Eine Populus-Umfrage von der vergangenen Woche erwartet einen knappen Labour-Sieg mit 33 Prozent vor den Konservativen mit 31 Prozent.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.02.2015)

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